Das oberste Gericht Frankreichs hat die UBS am Mittwoch zwar erneut wegen Steuerbetrugs und Geldwäscherei schuldig gesprochen. Doch zugleich hat der Kassationshof in Paris auch die Strafzahlungen in Milliardenhöhe gekippt. Wirtschaftsrechtler Peter V. Kunz gibt Einschätzungen zum Justizprozess um die Schweizer Grossbank.
SRF News: Wie schätzen Sie das Urteil aus Sicht der UBS ein?
Peter V. Kunz: Für die UBS ist es klarerweise ein Sieg, gerade auch gegenüber den Urteilen der Vorinstanzen. Tatsächlich wissen wir heute aber noch nicht, wie hoch der Sieg ist. Vor diesem Hintergrund bleibt also eine gewisse Unsicherheit, auch bei der UBS.
Die Kaution von rund einer Milliarde Euro und Schadenersatzzahlungen von 800 Millionen stehen wieder zur Diskussion. Wird der Betrag vielleicht noch steigen oder sogar deutlich sinken?
Das ist schwierig zu sagen. Theoretisch könnte an sich alles passieren, von null bis zu einem noch höheren Betrag. Der Kassationshof hat aber auch Fragen über die Legalität dieser Kautionseinziehung und auch des Schadenersatzes gestellt. Die Vorinstanz wird das daher nochmals genau anschauen. Es wird neue Verhandlungen geben und meine Prognose ist, dass es für die UBS besser kommen wird als in zweiter Instanz. Der Betrag wird sicherlich nochmals reduziert werden.
Der Prozess wird das normale Geschäft der UBS sicherlich nicht in Mitleidenschaft ziehen.
Die UBS ist aktuell mit der Integration der Credit Suisse stark beschäftigt. Fällt da ein Prozess, der sich noch lange hinziehen wird, nicht ins Gewicht?
Ich denke nicht, dass das ein Problem für den Fusionsprozess ist. Interne wie externe Anwälte freuen sich darüber, dass sie hier noch ein bisschen länger prozessieren können. Schlussendlich wird das für Herrn Ermotti bei der Integration tatsächlich keine Rolle spielen. Zumindest, sofern die Beträge, die zu bezahlen sind, nicht noch ansteigen, was ich nicht annehme. Es ist also einfach eine Pendenz, die sich länger hinzieht als erwartet, aber das wird das normale Geschäft der UBS sicherlich nicht in Mitleidenschaft ziehen.
Der alte und neue UBS-Chef Sergio Ermotti hat immer gesagt, er wolle keinen Schuldspruch akzeptieren. Hat sich diese Linie gewissermassen bestätigt?
Herr Ermotti wurde lange Zeit intensiv kritisiert, nicht einfach klein beigegeben zu haben. Heute muss man sagen, dass es die richtige Entscheidung war. Anfang 2019 war diese mit einer Busse von 3.7 Milliarden Euro sehr teuer, das wurde später heruntergesetzt. Vor dem Hintergrund hat es sich, rein finanziell und sicherlich auch imagemässig, für Ermotti tatsächlich gelohnt. Er geht hier wirklich als Sieger vom Platz.
Wir haben ganz neue Regularien und ein neues Bewusstsein.
Belastet das andauernde Verfahren den Finanzplatz und das Image der Schweiz?
Nein, klarerweise nicht. Das war eine Altlast, das war ein UBS-Thema. Eher könnte ich mir vorstellen, dass die eine oder andere Bank sich heute darüber aufregt, dass sie selber so schnell bei den verschiedenen Steuerstreitigkeiten nachgegeben hat. Aber die UBS als Grossbank konnte es sich halt auch leisten, hier ein bisschen Gegendruck zu machen.
Der Steuerstreit zwischen der UBS und Frankreich wird sicherlich keine Auswirkungen auf den Finanzplatz Schweiz haben. Dort geht es um Themen von 2004 bis 2012. Im letzten Jahrzehnt hat sich sehr viel geändert in der Schweiz. Was damals möglich war, wäre heute nicht mehr möglich, auch nicht bei der UBS. Wir haben ganz neue Regularien und ein neues Bewusstsein.
Das Gespräch führte Jan Baumann.