Während die Renten für die Versicherten sinken, ist der Pensionskassen-Markt ein lukratives Geschäft: Jedes Jahr werden über sieben Milliarden Franken aus den Pensionskassen abgeschöpft. Tendenz steigend. Recherchen von SRF und «SonntagsBlick» decken auf, wie das System funktioniert.
Das Vorgehen: Banken, Versicherungen und andere Finanzdienstleister gründen Pensionskassen, die sie selber betreuen – und schrauben die Verwaltungs- und Anlagekosten immer weiter in die Höhe. Das funktioniert in guten wie in schlechten Zeiten. Denn eine schlechte Performance der Kassen belastet nur das Vermögen der Versicherten, nicht aber die Profite der Anbieter.
Die Politik hat bisher wenig getan: Die Linke setzt den Fokus auf die AHV. Und viele Bürgerliche vertreten die Interessen der PK-Anbieter – oder sind selber in diesem lukrativen Geschäft involviert.
PK Pro – ein Ex-Nationalrat profitiert
Wie ein Politiker, der von 2003 bis 2011 im Nationalrat sass. In dieser Zeit baute er zusammen mit Treuhänder D. eine neue Vorsorgeeinrichtung auf – die PK Pro. Sie gehört heute mit 80‘000 Kunden und über drei Milliarden Vorsorgekapital zu den grossen Akteuren im PK-Markt. Sie taucht regelmässig in den grossen Rankings auf – und landet öfters auf den hinteren Rängen. Und doch fliessen jedes Jahr Gelder in Millionenhöhe in die vom Ex-Nationalrat und D. kontrollierte Holding. Wie funktioniert das?
Ihre Pensionskasse ist in eine intransparente Holding namens Tellco eingebettet – das Vorbild für mittlerweile mehr als 50 solcher Dachgesellschaften, die heute den Schweizer PK-Markt dominieren. Auch grosse Versicherungen und gewisse Kantonalbanken betreiben solche Konstrukte. Ihre Methode: Sie gründen eine Pensionskasse, und bauen um sie herum weitere Gesellschaften wie Verwaltungsfirmen, Anlagegefässe, Broker und Immobiliengesellschaften.
Die Verwaltungsstellen verrechnen bei den Versicherten Gebühren für die Buchhaltung. Für die Broker gibt es Provisionen fürs Vermitteln neuer Kunden. Die Anlagegefässe kassieren für das Investieren des Vorsorgekapitals. Die Immobiliengesellschaften kriegen Geld für das Bauen und Betreiben der Liegenschaften, in die die Anlagegefässe das Vorsorgekapital leiten. All das fliesst unter dem Dach der Holdings zusammen und geht an deren Besitzer.
Bei der PK Pro hiess das im Jahr 2020 gemäss Geschäftsbericht: alleine 9.3 Millionen Franken für Verwaltungsaufwand und Geschäftsführung. Die Vermögensverwaltung und die Depotstelle kassierten 38.2 Millionen. Mit über 1 Prozent lagen die totalen Vermögensverwaltungskosten der PK Pro doppelt so hoch wie der Durchschnitt. Der Grossteil dieser und weiterer Gebühren ging an die Tellco-Holding, die zu 94 Prozent D. und dem ehemaligen Nationalrat gehört, und an Unternehmen, an denen die beiden beteiligt sind. «Diese Dimension ist einzigartig», sagt ein PK-Insider zu dem Konstrukt.
Die Gesetze hinken der Entwicklung auf dem PK-Markt hinterher.
Dafür kriegten die Kunden der PK Pro 1 Prozent Zins auf ihr Alterskapital – das gesetzlich vorgeschriebene Minimum. Und das im Jahr der Börsenrekorde 2020. Doch was schlecht für die Versicherten ist, ist gut für die Verwalterin: Die Tellco-Holding machte in diesem Jahr 14 Millionen Franken Gewinn. Die Holding bestreitet, dass sie in Penionskassenvergleichen schlecht abschneide. Sie sagt: «Die Tellco PK Pro steht hinsichtlich der Verwaltungskosten pro Kopf sehr gut da.» Und sie garantiert: «Für das Jahr 2021 erhalten die Versicherten eine Verzinsung von 2 Prozent.»
Bessere Aufsicht gefordert
Die PK Pro ist kein Einzelfall – sondern die Regel: Im letzten Jahrzehnt ist ein Drittel der Firmenpensionskassen verschwunden. Drei von vier Versicherten haben heute ihr Geld bei einer Sammelstiftung parkiert. Die Konzentration nimmt rasant zu. «Der PK-Markt ist mitunter ein grosser Selbstbedienungsladen», sagt Urs Eicher vom PK-Netz, das die Interessen der Arbeitnehmer in der zweiten Säule vertritt. «Viele Versicherte finanzieren dies, ohne etwas davon zu ahnen.» Deshalb fordert Manfred Hüsler, Direktor der Pensionskassen-Oberaufsicht des Bundes (OAK BV), mehr Kompetenzen für die Aufsicht: «Die Gesetze hinken der Entwicklung auf dem PK-Markt hinterher», sagt Hüsler.
Wir brauchen nicht mehr Regulierungen, sondern klarere und leistungsbezogene Regeln.
GLP-Nationalrätin Melanie Mettler hat ein Postulat durchgesetzt, das nun vom Bundesrat eine umfassende Evaluation der PK-Aufsicht verlangt. Was soll dabei herauskommen? «Wir brauchen klare Regeln, mehr Transparenz und eine handlungsfähige Aufsicht», sagt Mettler. Auch Andri Silberschmidt findet, das heutige PK-System habe Reformbedarf. Er sagt aber auch: «Mehr Regulierungen führen lediglich zu neuen Konstrukten, die nicht im Sinne der Versicherten sind. Wir brauchen nicht mehr, sondern klarere und leistungsbezogene Regeln.»
Sicher ist: Solange sich die Politiker nicht einig werden, reibt sich die Finanzindustrie die Hände – auf Kosten der Versicherten.