Ob Blumenladen, Kaffeehaus oder Friseursalon: Die meisten Läden sind zwangsgeschlossen. Doch die Mieten müssen die meisten Geschäftsinhaber weiterhin bezahlen. Für viele könnte es bald gefährlich werden.
Denise Zumsteg betreibt in Wettingen (AG) ein Fitness-Studio. Rund 200 Kunden gehen normalerweise täglich ein und aus. Derzeit laufen bei ihr nur die Kosten weiter. «Wir sind froh, dass uns mit der Kurzarbeitsentschädigung geholfen wird. Aber wir haben auch andere hohe Fixkosten.» Rund 18'000 Franken Miete zahlt sie für ihr Fitnessstudio. «Und bis jetzt wissen wir nicht, ob man uns da entgegenkommt.»
Mieterverband: «Mietzins ist nicht mehr geschuldet»
Durch das behördliche Nutzungsverbot entstehe bei Geschäftsobjekten ein Mangel am Mietobjekt, sagt Mietrechtsspezialistin Sarah Brutschin. Sie ist Vizepräsidentin des Deutschschweizer Mieterinnen- und Mieterverbandes. Für die Rechtsanwältin ist klar: «Geschäftsmieter müssen keine Miete zahlen für Objekte, die sie nicht benutzen dürfen, weil der vertraglich vorausgesetzte Gebrauch ausgeschlossen oder zumindest erheblich eingeschränkt ist. Und damit ist auch der Mietzins nicht geschuldet.»
Der Zürcher Gastronom Michel Péclard, der im Grossraum Zürich 14 Restaurants betreibt, hatte mit dieser vom Mieterverband empfohlenen Haltung Erfolg. Er hat seinen Vermietern mitgeteilt, dass er keine Miete mehr bezahlen will, bis er wieder aufmachen darf – und ist auf Verständnis gestossen.
«Wir mieten ja schliesslich Restaurants. Und wenn ich ein Restaurant nicht mehr als Restaurant nutzen kann, dann denke ich, dass ich auch die Miete nicht mehr zahlen muss», so Péclard. Die meisten Vermieter haben ihm die Miete erlassen.
Hauseigentümerverband: «Kein Mangel am Objekt»
Beim Schweizerischen Hauseigentümerverband HEV will man von einem Recht auf Mietzahlungsunterlassung nichts wissen. «Ein Mangel am Mietobjekt ist in unseren Augen eindeutig nicht gegeben, denn es ist nicht das Objekt, das zum Mangel führt, sondern es ist die Schliessung des Betriebes, der zum Mangel führt», sagt HEV Schweiz Direktor Markus Meier.
Meier gibt zu bedenken: «Auch der Vermieter hat natürlich seine Verpflichtungen.» Das dürfe man in der Gesamtsituation nicht vergessen. Eine Notsituation sollte nicht vom einen auf den andern verschoben werden.
Professor: «Mieten neu verhandeln»
Doch was gilt denn nun: Geschäftsmieten zahlen oder nicht? «Das kann man nicht mit Sicherheit sagen», sagt der Mietrechtsspezialist Thomas Koller, emeritierter Professor für Privatrecht an der Uni Bern.
Aus der Sicht von Koller sieht die Situation wie folgt aus: «Da hat sich die Vertragsgrundlage wesentlich geändert. Und zwar durch aussergewöhnliche Umstände, die nicht vorhersehbar und nicht vermeidbar waren – und das führt dazu, dass Anpassungen im Mietzins erfolgen müssen. Die Parteien müssen den Mietzins neu verhandeln.»
Im schlimmsten Fall müsse ein Gericht entscheiden. Und da könne es sein, «dass die Miete um 10 Prozent reduziert wird, vielleicht auch um 50 Prozent, vielleicht sogar der ganze Mietzins. Das kann man nur von Fall zu Fall entscheiden.»
Viele Betroffene spüren nichts von Solidarität
Der Schweizerische Hauseigentümerverband ruft seine Mitglieder zur Solidarität mit den Geschäftsmietern auf – auf freiwilliger Basis allerdings. Meier sagt: «Wir haben von Anfang an die Empfehlung herausgegeben, dass man die Solidarität leben soll, dort, wo sie möglich ist, dort, wo die materiellen Voraussetzungen gegeben sind.» Und zwar in Form von Mieterlassen, Teilerlassen und Mietstundungen.
Von dieser Solidarität hat Fitnessstudio-Inhaberin Denise Zumsteg – wie viele andere Geschäftstreibende auch – bisher nichts gespürt. «Wir haben das Gespräch mit dem Vermieter gesucht. Unser Verband hat uns eine Vorlage gemacht, wie wir das angehen können. Das haben wir gemacht, wie viele andere auch. Doch die allermeisten haben noch nicht mal eine Antwort bekommen. Und ganz viele eine negative Antwort. Nur wenige haben eine kulante Vermieterschaft. Es ist recht enttäuschend.»