Die Nachfrage nach Öl, Kohle und Gas erreicht ihren Höhepunkt noch vor 2030. Zu diesem Schluss kommt die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem neuen Ausblick, dem World Energy Outlook 2023. Noch vor einem Jahr waren die Expertinnen und Experten der IEA davon ausgegangen, dass dieser Peak erst in den 2030er Jahren erreicht wird. SRF-Wirtschaftsredaktor Klaus Ammann kennt die Gründe für diesen Wandel.
SRF News: Wie kommen die Autorinnen und Autoren der Studie zum Schluss, dass die Nachfrage nach fossilen Energieträgern früher den Höhepunkt erreicht als sie bisher prognostiziert haben?
Klaus Ammann: Sie haben festgestellt, dass der Ausbau der erneuerbaren Energieträger, vor allem von Sonnen- und Windenergie, rasch vorankommt und gleichzeitig die Nachfrage nach Energie abflacht, weil elektrischer Strom eine immer grössere Rolle spielt, vor allem im Verkehr, etwa bei Elektroautos. Die Elektromotoren sind im Umgang mit Energie effizienter als Benziner und Dieselmotoren. Zudem haben die Konflikte in Regionen, die viel Öl und Gas produzieren – vor allem Russland und im Nahen Osten – in vielen Ländern die Dringlichkeit des Umstiegs auf erneuerbare Energien erhöht.
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Weniger Öl, Kohle und Gas: ein gutes Zeichen für den Klimaschutz?
Grundsätzlich ja. Allerdings muss man sehen, dass die Entwicklungen der drei fossilen Energieträger sehr unterschiedlich verlaufen. Die Kohle soll laut der IEA relativ rasch an Bedeutung verlieren. Öl und Gas bleiben aber noch sehr lange wichtig, wenn man wie die IEA auf die aktuell beschlossenen politischen Massnahmen der Länder schaut.
Der Chef des US-Ölkonzerns Chevron sagt ganz offen, er glaube nicht an die Szenarien der IEA.
Die Nachfrage wird in vielen Entwicklungsländern noch über Jahre steigen. Gleichzeitig soll die Nachfrage in Industrieländern und in China aber derart stark sinken, dass sie weltweit gesehen unter dem Strich abnimmt. Der Treibhausgasausstoss von Öl und Gas wird aber weiterhin viel zu hoch sein, um die Klimaziele von Paris zu erreichen.
Zurzeit gibt es auch Meldungen von Ölgiganten, die weiterhin in Öl investieren, etwa in den USA. Wie passt das in das Bild der IEA?
Das passt nicht ins Bild. Der US-Ölkonzern Chevron beispielsweise hat jüngst den Mitbewerber Hess übernommen, um so die eigenen Kapazitäten zur Produktion von Öl und Gas um etwa zehn Prozent zu vergrössern. Der Chef von Chevron sagt ganz offen, er glaube nicht an die Szenarien der IEA. Die Nachfrage nach Öl und Gas werde weltweit weiter steigen.
Die IEA war in ihren Prognosen beim Ausbau der erneuerbaren Energien stets konservativ.
Europäische Konzerne wie Shell, Total oder BP sehen das anders. Sie haben in den letzten Jahren verstärkt auch in erneuerbare Energien investiert. Sie glauben, dass die Politik Ernst macht in Sachen Klimaschutz. Klar ist, es handelt sich nur um Prognosen, sowohl bei der IEA als auch bei Chevron. Allerdings muss man sagen, dass die IEA in ihren Prognosen beim Ausbau der erneuerbaren Energien stets recht konservativ war und die Entwicklungen letztlich häufig schneller vorangingen als von der IEA prognostiziert. Nun stellt sich die Frage, ob das umgekehrt beim Niedergang von Öl und Gas auch so verlaufen wird.
Das Gespräch führte Zoe Geissler.