Rund 900 Millionen Franken Steuerrückforderungen von ausländischen Banken überprüft derzeit die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) auf ihre Rechtmässigkeit und verweigert vorerst ihre Auszahlung. Die Forderungen stammen aus sogenannten Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften der vergangenen Jahre, die darauf abzielen, mehr Verrechnungssteuern zurückzuerhalten, als den Banken zusteht.
Solche Tricks – es gibt auch noch viele andere – werden unter dem Begriff Dividenden-Stripping zusammengefasst.
«Man kennt diese Tricksereien bereits seit den Neunzigerjahren. Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat relativ schnell das Gespräch mit den Banken gesucht, um Lösungen zu erarbeiten», sagt Patrick Teuscher, Kommunikationschef der ESTV. «2008 hat die Schweiz dem Dividenden-Stripping einen Riegel geschoben. Solche Aktivitäten sind nicht legal». Aber es gebe immer neue Tricks, die Banken seien sehr kreativ darin, neue zu entdecken, sagt Teuscher. Der Aufwand, um diese zu erkennen, sei enorm.
Bundesgericht gibt Steuerverwaltung recht
Im Zuge der Bestimmungen von 2008 sperrte die ESTV sämtliche Zahlungen im Zusammenhang mit Dividenden-Stripping. Verschiedene Banken zogen deshalb vor Gericht. Bis 2019 hat das Bundesgericht 14 Fälle beurteilt und in allen Fällen der ESTV recht gegeben. 2020 wurden vor Gericht zwei Fälle behandelt – beide wurden zugunsten der ESTV entschieden.
Experten gehen davon aus, dass zugunsten der Schweiz dadurch mehrere 100 Millionen Franken gesichert werden konnten. «Die öffentliche Aufarbeitung in Deutschland kann ein Signal für Personen und Unternehmen sein, die auch heute noch versuchen, Dividenden-Stripping zu betreiben», sagt Teuscher. Dividenden-Stripping sei kein Kavaliersdelikt und werde von den Behörden aufmerksam verfolgt.
In Deutschland werden solche Deals als Steuerbetrug verfolgt und können mit Gefängnis bestraft werden. In der Schweiz gilt Dividenden-Stripping als rechtsmissbräuchlich, ist aber bisher noch nicht strafrechtlich verfolgt worden.
Urteil aus Deutschland mit Signalwirkung
Dividenden-Stripping ist vor allem in den EU-Ländern zu einem grossen Problem geworden. Schätzungen zufolge sind die Steuerbehörden aufgrund illegaler Verrechnungssteuertricks der Banken mit rund 55 Milliarden Euro geschädigt worden. Allein Deutschland rechnet mit Schäden von rund zehn Milliarden Euro.
Der deutsche Bundesgerichtshof hat Ende Juli klargemacht: Cum-Ex-Aktiengeschäfte sind und waren schon immer kriminell und strafbar. Bisher haben Banken immer damit argumentiert, sie würden nur eine Gesetzeslücke ausnutzen.
Auch Kantonalbanken waren aktiv
Dividenden-Stripping betreiben vor allem Investmentbanken. Auch Schweizer Banken sind in solche Angriffe auf Steuerbehörden involviert. Dokumentiert sind Cum-Ex-Transaktionen – oder ihre Mithilfe dabei – von der UBS und der Credit Suisse. Für Cum-Ex-Deals sind meist Milliarden an Kapital notwendig. Oft treten deshalb Investmentbanken in Erscheinung. Aber nicht nur, auch die Zürcher Privatbank Sarasin und die Zürcher Kantonalbank haben erwiesenermassen Dividenden-Stripping-Tricksereien durchgeführt. Der Fall der Zürcher Kantonalbank, der für die Bank mit einem Verlust von über 100 Millionen Franken endete, wurde zum Politikum im Zürcher Kantonsrat.
Im Fokus steht derzeit die Waadtländer Kantonalbank, die Banque Cantonale Vaudois. Sie steht auf der Bankenliste der Wuppertaler Steuerfahndung, die 2016 an die Öffentlichkeit durchgesickert ist. Das Waadtländer Kantonsparlament geht seit vergangenem Herbst den Vorwürfen nach. Die Antwort der Waadtländer Regierung steht noch aus.
Auf derselben Liste wird das Asset Management der Privatbank Pictet erwähnt: Die Bank schreibt SRF: «Unseres Wissens nach hat Pictet Asset Management nicht an Cum-Ex-Transaktionen teilgenommen und wurde auch von keiner Behörde zu diesem Sachverhalt kontaktiert.» Die anderen Banken äussern sich nicht zum Thema.