Wegen höherer Kosten bei Transport, Verpackung und Rohstoffen werden Nestlé-Produkte auch 2022 teurer. Nestlé-Konzernchef Ulf Mark Schneider sagt im SRF-Interview, bei welchen Produkten die Preise wohl am schnellsten steigen und wie die Aufhebung von Corona-Regeln den Geschäftsverlauf beeinflussen dürfte. Er reagiert ausserdem auf Kritik an den Klima-Plänen des Konzerns.
SRF News: Inflation ist in aller Munde. Wie hat sie das Geschäft von Nestlé im vergangenen Jahr geprägt?
Ulf Mark Schneider: Wir hatten seit Frühjahr sehr viel mit inflationären Tendenzen zu kämpfen, insbesondere in den Bereichen Transport, Verpackung, aber auch bei einigen Rohstoffen. Am Schluss sind auch in verschiedenen Ländern die Arbeitskosten deutlich nach oben gegangen und wir haben, soweit es möglich war, versucht, die Konsumenten vor Preiserhöhungen zu schützen. Wir haben alle internen Anstrengungen ausgenutzt, um unsere Marge stabil zu halten. Wir mussten aber auch in einigen Bereichen unsere Preise erhöhen, um die Margen zu stabilisieren.
Im letzten Quartal hat Nestlé die Preise so stark erhöht wie in den letzten sieben Jahren nicht mehr, nämlich um 3.1 Prozent. Wird das dieses Jahr so weitergehen?
Man muss dazu sagen, dass die letzten fünf bis acht Jahre in fast allen Volkswirtschaften, in den wir tätig sind, recht stabil bis deflationär waren. Das heisst, die Preise haben sich kaum verändert. Jetzt sehen wir ausgehend von Rohstoffen und Transportkosten, dass sich das Bild sehr drastisch geändert hat. Das erwarten wir auch für das Jahr 2022. Auch da gilt: Wir werden sehr verantwortungsvoll mit Preiserhöhungen umgehen. Wir werden zunächst alle internen Möglichkeiten nutzen, um unsere Marge zu schützen und den Konsumenten vor Preiserhöhungen zu schützen. Aber es wird sich nicht vermeiden lassen, dass wir auch weiterhin Preiserhöhungen vornehmen.
Wir werden sehr verantwortungsvoll mit Preiserhöhungen umgehen.
In welchen Produktkategorien sind Preiserhöhungen vor allem zu erwarten?
Es gibt grundsätzlich Unterschiede, je nach Land und je nach Produktkategorie. Wir haben insbesondere in den Entwicklungsländern sehr verantwortungsvoll agiert, weil dort die Bezahlbarkeit der Produkte für den Konsumenten im Vordergrund steht. Grundsätzlich gilt, dass man bei Produkten am Premium-Ende leichter Preiserhöhungen durchsetzen kann. Da handelt es sich um Luxusprodukte, die der Konsument haben oder nicht haben möchte. Wohingegen die Verantwortung des Herstellers aus meiner Sicht bei Dingen des täglichen Bedarfs grösser ist.
In der Schweiz, aber auch in vielen anderen Ländern, kehrt die Bevölkerung zurück zur Normalität. Das heisst auch: Menschen kehren in Büros und vermehrt in Restaurants zurück. Nestlé hat von der Pandemie (Heimarbeit, geschlossenen Restaurants) profitiert. Was bedeuten die Entwicklungen jetzt für das Unternehmen?
Verglichen mit dem In-House-Verbrauch in einzelnen Quartalen im Jahr 2021 wird der Verbrauch 2022, wenn Lockerungen vielleicht schon greifen, nicht mehr so hoch sein. Mittelfristig hingegen sind wir extrem optimistisch, denn viele der zugrundeliegenden Trends werden weiterhin anhalten. Fast alle Unternehmen offerieren mehr Flexibilität, wenn es um das Arbeiten von zu Hause geht. Man kann davon ausgehen, dass viele Produkte, die wir vor der Pandemie in Büros konsumiert haben, auch in Zukunft zu einem gewissen Teil zu Hause konsumiert werden, insbesondere Kaffee. Wir nennen das auf Englisch die «at-home revolution». Und die wird dafür sorgen, dass wir auch weiterhin eine sehr dynamische Entwicklung erwarten.
Man kann davon ausgehen, dass viele Produkte, die wir vor der Pandemie in Büros konsumiert haben, auch in Zukunft zu einem gewissen Teil zu Hause konsumiert werden, insbesondere Kaffee.
Für den Nestlé-Klimaplan hagelte es in den letzten Wochen Kritik. Vor allem, was die Transparenz der Kompensationsmechanismen im Plan angeht. Wie antworten Sie darauf?
Wir haben diesen Punkt heute stärker beleuchtet, weil wir uns gegen die Kritik deutlich zur Wehr setzen. Eine der Fakten, die wir richtigstellen wollten, ist, dass wir trotz unseres starken Wachstums unseren Treibhausgasausstoss in absoluten Zahlen reduzieren. Das war in diesen verschiedenen Reports falsch dargestellt worden. Wir haben das heute mit den offiziellen Zahlen nochmal gezeigt, die von unserem Wirtschaftsprüfer angeschaut und die von der Science-Based-Targets-Initiative belegt wurden. Darüber hinaus ist uns wichtig, dass diese Reduktionen nicht durch irgendwelche Offsets, sondern tatsächlich durch interne Reduktionen erreicht wurden. Das ist ja gerade das Anliegen der sogenannten Science-Based-Targets-Initiative, dass man nicht durch vollkommen unverwandte Offsets diese Ziele erreicht, sondern dadurch, dass man seine eigentlichen Wirtschaftsaktivitäten klimafreundlicher gestaltet.
Sie werten das als Missverständnis?
Aus unserer Sicht ja. Wir haben die konkrete NGO, um die es dabei ging, auf diese Fehler aufmerksam gemacht. Wir waren traurig, dass diese Korrekturen, die deutlich erkennbar waren in unserer Nett-Zero Roadmap, nicht aufgenommen wurden.
Waren Sie seither mit der NGO nochmals in Kontakt?
Wir haben unsere Fakten heute dargestellt und dabei werden wir es belassen.
Sie sagen, der Gipfel der CO₂-Emissionen von Nestlé sei schon überschritten. Was ist in dieser Rechnung enthalten?
Das sind nur die Reduktionen und das war die wichtige Nachricht für heute. Wir sehen im Rückblick Peak-Carbon im Jahr 2019 bei etwa 96 bis 97 Millionen Tonnen. Wir sind im Jahr 2021 offiziell bestätigt bei 94.3 Millionen Tonnen. Und das, obwohl das Geschäft seitdem sehr intensiv gewachsen ist, nicht nur 2021, sondern auch im Jahr davor. Wir sind voll im Plan, wenn es um die Reduktion um 20 Prozent bis zum Jahr 2025 und die Reduktion um 50 Prozent bis zum Jahr 2030 geht. Und das sind rein interne Reduktionen, mit denen wir dies erreichen. Das ist ja, wie gesagt, gerade das Anliegen der Science-Based-Targets-Initiative.
Das Gespräch führte Stefanie Knoll.