Die Österreichischen Bundesbahnen wollen im grossen Stil Nachtzüge in Europa wiederbeleben. Für 750 Millionen Euro wollen die ÖBB neue Nachtzüge beschaffen. Und das, obwohl sich mit Nachtzügen kaum Geld verdienen lässt. Doch der politische Wille zum Nightjet-Ausbau sei in Österreich sehr gross, sagt Verkehrsexperte Christian Böttger.
SRF News: Wie ergänzen die ÖBB ihre Zugflotte genau?
Christian Böttger: Die ÖBB hatten ja bereits vor einiger Zeit angekündigt, dass sie 13 Nachtzug-Garnituren kaufen will – für 250 Millionen Euro. Die Ankündigung jetzt umfasst den Kauf von weiteren 20 Garnituren für 500 Millionen Euro. Die neuen Informationen sind also die 500 Millionen Euro. Insgesamt kaufen sie für 750 Millionen 33 Nachtzug-Garnituren.
Die politische Unterstützung ist in Österreich sehr stark und eben auch der Wille, die Staatsbahn in der Coronakrise zu fördern.
Viele Unternehmen im öffentlichen Verkehr haben derzeit Geldprobleme, weil sie wegen der Coronakrise weniger Passagiere transportieren. Woher nehmen die ÖBB das Geld für diese Investition?
Die ÖBB haben Staatshilfe bekommen und der Staat hat dieser Beschaffung auch ausdrücklich zugestimmt. Ich denke, die politische Unterstützung ist in Österreich sehr stark und eben auch der Wille, die Staatsbahn in der Coronakrise zu fördern. Das haben wir auch in vielen anderen Ländern jetzt gesehen.
750 Millionen Euro sind viel Geld. Was versprechen sich die ÖBB von dieser Investition?
Wir haben die letzten 30 Jahre einen Niedergang des Nachtzugverkehrs gehabt. Zum einen dadurch, dass die Tagzugverbindungen immer schneller geworden sind. Zum zweiten dadurch, dass die Billigflug-Airlines die Kosten für Flüge reduzieren konnten – und das eben auch dadurch, dass sie weitgehend von Abgaben befreit sind. Sie zahlen anders die Bahn keine Steuern, keine Abgaben für die Energie oder ihre CO2-Emissionen.
Die ÖBB wollen in diesem sich vielleicht wieder entwickelnden Markt vorne mit dabei sein.
Die Bahnen haben gesehen, dass sie in diesem Marktumfeld mit Nachtzügen kein Geld mehr verdienen können und sich weitgehend zurückgezogen. Jetzt gibt es aber den politischen Wunsch, etwas mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern. In einigen Ländern gibt es auch politische Initiativen dazu. Und die ÖBB stellen sich nun an die Spitze dieser Bewegung und wollen in diesem sich vielleicht wieder entwickelnden Markt vorne mit dabei sein.
Weshalb ist es so schwierig, mit Nachtzügen Gewinn zu erwirtschaften?
Es ist zum einen ein Nischengeschäft. Sie fahren vielleicht nur zwei bis sechs Züge am Tag. Dafür müssen Sie aber spezielle Anlagen für die Reinigung und die Abstellung haben. Sie müssen Bettzeug abziehen und waschen. Da muss man sich immer überlegen, ob sich dieser Aufwand auch rechnet.
Nachtzüge bedeuten also viel Aufwand und wenig Ertrag für ein Bahnunternehmen. Wie wollen die ÖBB ihre Nachtzugsparte rentabel machen?
Die ÖBB nehmen für sich ja in Anspruch, dass die Nachtzüge zumindest keinen Verlust machen. Und das ist natürlich immer eine Frage, was sie an Overhead-Kosten einer solchen Einheit zurechnet. Ich glaube auch da, dass die ÖBB sehr flexibel ist und die Zahlen eher ein bisschen positiv darstellt. Aber es gibt eine grosse politische Unterstützung. Und ich glaube, dass es eine intelligente Strategie ist, mit der die ÖBB vielleicht mittelfristig auch etwas Geld verdienen können. Ein grosser Geldverdiener wird es nie sein, aber vielleicht doch eine kleine Nische, in der man gut leben kann.
Das Gespräch führte Manuel Ramirez.