Chatroboter wie ChatGPT können zwar schreiben und reden wie Menschen. Wirklich intelligent seien sie deswegen aber noch lange nicht. Das sagt Yann LeCun, einer der mächtigsten Männer beim Facebook-Mutterkonzern Meta. Er ist einer der führenden Wissenschafter im Bereich der künstlichen Intelligenz.
SRF News: Wie intelligent ist generative KI wirklich?
Yann LeCun: Überhaupt nicht intelligent. Chatroboter wirken nur intelligent, weil sie unsere Sprache gut imitieren. Aber KI ist völlig hilflos in der physischen Welt. Die KI kann eine Anwaltsprüfung bestehen, aber nicht lernen, einen Geschirrspüler einzuräumen. Das können wir Menschen schon mit 10 Jahren. Wir Menschen lernen in etwa 20 Stunden Auto zu fahren. Die selbstfahrenden Autos üben schon seit Jahren und können es immer noch nicht. Die KI verändert aber, wie wir menschliche Intelligenz verstehen.
Künstliche Intelligenz kann Bücher schreiben und Bilder kreieren. Ist KI künstlerisch intelligent, im Sinne von kreativ?
Nicht wirklich. KI schreibt zwar Bücher und Gedichte und kreiert Bilder. Das ist aber nur eine Neuzusammensetzung von schon Bestehendem, rückwärts orientiert. Wie eine Art Cover von einem bereits existierenden Lied. Wirklich kreativ ist das nicht. Es braucht den Menschen, der zusammen mit KI etwas ganz Neues kreiert.
Ich bin aber überzeugt, dass die künstliche Intelligenz insgesamt intelligenter wird und uns Menschen überholt.
Werden Maschinen irgendwann einmal intelligenter als wir Menschen?
Auf jeden Fall. Heute ist die KI nur in ganz spezifischen Bereichen intelligenter als der Mensch, zum Beispiel beim Schachspielen oder beim Spiel Go. Ich bin aber überzeugt, dass die künstliche Intelligenz insgesamt intelligenter wird und uns Menschen überholt. Aber das wird Jahrzehnte dauern.
Wie möchten Sie Maschinen intelligenter als Menschen machen?
Indem ich meine Forschung öffentlich zugänglich mache. Ich vertrete bei Meta den Open-Source-Ansatz. Meine Forschung ist für alle zugänglich, auch der Programmiercode unserer KI. Damit können andere Firmen und Wissenschafter auf unserer Arbeit aufbauen.
Mithilfe von KI gibt es eine neue Art von Desinformation und Fake News.
Können Sie ein Beispiel machen?
In der Schweiz wollen Sie vielleicht eine künstliche Intelligenz, die fliessend Schweizerdeutsch spricht. Das können KI-Spezialistinnen an der Westküste der USA unter Umständen nicht leisten. Schweizer Ingenieure müssen mit ihnen zusammenarbeiten. Nur so kann die KI langfristig wirklich intelligent werden. Wenn wir davon ausgehen, dass künstliche Intelligenz die Schnittstelle zum Internet wird, dann muss sie alle Sprachen kennen und verschiedene kulturelle Werte und Eigenheiten interpretieren können. Das gelingt nur, wenn die ganze Welt die Entwicklungen gemeinsam vorantreibt.
Wenn alle an KI mitarbeiten können, wie können Sie garantieren, dass Ihre Forschungsresultate nicht missbraucht werden?
Das ist in der Tat ein Problem. Mithilfe von KI gibt es eine neue Art von Desinformation und Fake News. Den Politikerinnen und Politikern werden Wörter in den Mund gelegt, die sie eigentlich nie gesagt haben. Das sind sogenannte Deepfakes. Diese Herausforderung müssen wir angehen.
Was tun Sie bei Meta konkret gegen diese neue Art von Desinformation und Deepfakes?
Das ist nichts Neues für uns. Seit Jahren moderieren wir Inhalte auf den sozialen Medien, wir nehmen zum Beispiel Hassrede oder Inhalte mit Kindesmissbrauch vom Netz. Und Desinformation zu erstellen, zum Beispiel mithilfe von KI, ist nicht das Gleiche, wie Desinformation zu verbreiten. Desinformation kann auch ohne Hilfe von künstlicher Intelligenz hergestellt werden.
Das Gespräch führte Pascal Lago.