In Deutschland protestieren Bäuerinnen und Bauern derzeit lautstark für mehr Einkommen. Ihre schweizerischen Kolleginnen und Kollegen bekunden dezent ihre Solidarität, indem sie an Ortsschildern Gummistiefel aufhängen. Doch wie steht es um die Einkommen in der Schweizer Landschaft? Die Zahlen von Agroscope zeigen: Von 2012 bis 2022 sind die Einkommen im Schweizer Mittel pro Betrieb von 88'000 auf 111'000 Franken gestiegen.
Hohe Fixkosten
Eigentlich eine gute Nachricht. Allerdings: Die Zahlen zeigen auch, dass die Kosten im Schweizer Mittel pro Betrieb in den vergangenen Jahren gestiegen sind. Zwischen 2012 und 2022 beträgt die Zunahme fast 50 Prozent. Landwirtin Vanessa Monhart vom «Waldhof», ein kleiner Milchwirtschaftsbetrieb im Zürcher Unterland, sagt: «Wenn die Melkmaschine läuft, dann frisst sie Strom. Wenn der Traktor defekt ist und ich ihn nicht selbst reparieren muss ich zum Mechaniker. Wir haben hohe Fixkosten, die sich nicht einfach reduzieren lassen.»
Sie achte darauf, wo man sparen könnte. Wenn man ständig spare, würde jedoch der Bedarf an Investitionen deutlich steigen. So schneide man sich ins eigene Fleisch.
Preise für Vorleistungen deutlich gestiegen
Für die gestiegenen Kosten seien aber nicht die Landwirtinnen und Landwirte verantwortlich zu machen, sagt Martin Rufer, Direktor des Schweizerischen Bauernverbandes. «Die Landwirtschaft ist sehr kostenbewusst. Das Problem ist, dass die Preise für Vorleistungen wie Energie, Maschinen, Gebäude oder Dünger in den letzten zwei Jahren stark gestiegen sind, um 14 Prozent. Diese Preissteigerungen führen dann zu zunehmenden Produktionskosten.»
So fordert der Schweizer Bauernverband für landwirtschaftliche Produkte Preise, welche die höheren Vorleistungen decken.
Zu hohe und zu rasche Investitionen
Nationalrat Kilian Baumann, Grüne Partei Kanton Bern, ist Präsident des Verbandes Schweizer Kleinbauern. Er sieht das Thema Kostenentwicklung in der Schweizer Landwirtschaft anders als der Direktor des Bauernverbandes. «Wir haben in der Schweiz das Problem, dass die Anreize für Bäuerinnen und Bauern sehr gross sind, das Geld, das sie erhalten, gleich wieder auszugeben.»
Es würde sehr viel investiert. In teure Bauten, in teure Maschinen wie grosse Traktoren. Darum seien auch die Kosten der Landwirtinnen und Landwirte hoch, meint Baumann. Beispiel: Ein neuer Traktor für mehrere Hunderttausend Franken verursacht jährlich entsprechend hohe Abschreibungen.
Grenzschutz hemmt Kostenbewusstsein
Auf dem «Waldhof» versucht die Landwirtin Vanessa Monhart, ihre Kosten so weit wie möglich zu optimieren. Dies gelte aber längst nicht für die ganze Schweizer Landwirtschaft, findet Patrick Dümmler, Experte für Agrarpolitik von der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse: «In der Industrie ist dies Standard, weil man dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt ist. Man schaut nicht nur auf die Erträge, sondern auch auf die Kostenseite – das ist in der Landwirtschaft noch nicht ganz angekommen.»
Das habe auch damit zu tun, dass die Schweizer Landwirtschaft nur in sehr wenigen Teilen dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sei, weil es einen Grenzschutz gäbe. Das bedeutet: Viele hiesige landwirtschaftliche Produkte sind vor Konkurrenzimporten (über hohe Zölle und Abgaben) geschützt.