Beim Sammeln von Glas gehört die Schweiz zur Weltspitze. Hierzulande wird Glas aber in der Regel eingeschmolzen und in neue Formen gegossen. Beim Mehrwegglas, also bei Flaschen, die mehrfach gewaschen und wieder befüllt werden, ist Deutschland führend. «43 Prozent der Getränkeflaschen kann man als Mehrweg deklarieren», sagt Markus Grumann.
Grumann baut Inspektionsanlagen für solche Mehrwegglasflaschen und ist ein Fürsprecher eines europäischen Netzwerks für Mehrwegglassysteme. Doch das deutsche System habe Schwächen: «Es gibt etwa 900 unterschiedliche Mehrwegflaschen und gar 3000 verschiedene Harassen.» Das bedeutet einen grossen Aufwand beim Sortieren und Retournieren der Gebinde und mache ökologisch wenig Sinn.
In der EU wird derzeit ein Regelwerk diskutiert, das den Mitgliedstaaten verbindliche Prozentsätze an Mehrwegglas vorschreiben soll. Davon will auch die Schweizer Flaschenglasherstellerin Vetropack profitieren. Zusammen mit einer österreichischen Brauerei hat sie in den vergangenen drei Jahren eine neue Mehrwegglasflasche getestet. «Es ist ein thermisch gehärtetes Glas, das dadurch robuster wird», erklärt Erich Jaquemar von Vetropack. Die Flasche wird 30 Prozent leichter, verkratzt weniger schnell und wird dadurch länger verwendbar.
Die Fachleute sind sich einig: Soll sich die Mehrwegglasflasche durchsetzen, braucht es Standards. Diese müssten von Handel, Abfüllern und Logistikern gemeinsam festgelegt werden. Die Folge davon: Spezielle Flaschenformen als Marketingelement fallen so weg.
Wenn die Schweiz künftig verstärkt auf Mehrwegglas setzen will, sollte sie also von Anfang an Standards festlegen. Gleichzeitig müsse der Staat – ähnlich wie in der EU – Regeln festlegen und so Anreize für den Wandel schaffen. «Ohne diesen Impuls wird der Wechsel viel zu lange dauern», ist Markus Grumann überzeugt.
Auch ETH-Umweltingenieurin Melanie Haupt würde einen solchen Schritt begrüssen: «Glasbehälter zu waschen und wiederzuverwenden, verbraucht deutlich weniger Energie als Scherben zu rezyklieren und in neue Glasflaschen zu giessen.» Die grosse Herausforderung bleibe die Logistik, sagt die Fachfrau für nachhaltige Kreislaufwirtschaft: «Transport ist vor allem dann ein grosses Problem, wenn die Verpackungen nicht komplett standardisiert sind. Wenn ich ein standardisiertes System habe, in welchem die Flaschen irgendwo zurückgegeben und lokal gereinigt und wieder befüllt werden können, löst sich das Problem von selbst.»
Das heisst: Wenn sich die Mehrwegglasflasche wieder etablieren soll, braucht es die Bereitschaft der Politik, der Wirtschaft und der Konsumentinnen und Konsumenten, das ganze System Glasflasche von der Produktion über die mehrfache Befüllung bis zur Recyclingmulde neu zu denken.