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Mit Mehrwegglas gegen die Plastikflut
Aus Echo der Zeit vom 03.09.2023. Bild: Keystone/Bernd Weissbrod
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Kreislaufwirtschaft Mehrwegglas soll die Flut von Plastikflaschen reduzieren

Mehrwegglas ist nicht ganz unproblematisch. Es ist schwer und zerbrechlich – und lange Transporte verschlechtern die Ökobilanz.

Beim Sammeln von Glas gehört die Schweiz zur Weltspitze. Hierzulande wird Glas aber in der Regel eingeschmolzen und in neue Formen gegossen. Beim Mehrwegglas, also bei Flaschen, die mehrfach gewaschen und wieder befüllt werden, ist Deutschland führend. «43 Prozent der Getränkeflaschen kann man als Mehrweg deklarieren», sagt Markus Grumann.

Grumann baut Inspektionsanlagen für solche Mehrwegglasflaschen und ist ein Fürsprecher eines europäischen Netzwerks für Mehrwegglassysteme. Doch das deutsche System habe Schwächen: «Es gibt etwa 900 unterschiedliche Mehrwegflaschen und gar 3000 verschiedene Harassen.» Das bedeutet einen grossen Aufwand beim Sortieren und Retournieren der Gebinde und mache ökologisch wenig Sinn.

Glas – der fast perfekte Werkstoff

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Glas als Verpackung hat verschiedene Vorteile: Das Material ist inert und dicht, es nimmt also keine Gerüche auf. Glas kann im Prinzip unendlich oft wiederverwendet werden. Es ist allerdings schwer und zerbrechlich. Das macht den Transport aufwändiger, was sich negativ auf die Ökobilanz auswirkt.

Entsprechend haben sich Plastikverpackungen in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt durchgesetzt. Auch bei PET-Flaschen gibt es mittlerweile Bemühungen, diese nicht nur zu rezyklieren, sondern auch mehrfach zu verwenden.

In der EU wird derzeit ein Regelwerk diskutiert, das den Mitgliedstaaten verbindliche Prozentsätze an Mehrwegglas vorschreiben soll. Davon will auch die Schweizer Flaschenglasherstellerin Vetropack profitieren. Zusammen mit einer österreichischen Brauerei hat sie in den vergangenen drei Jahren eine neue Mehrwegglasflasche getestet. «Es ist ein thermisch gehärtetes Glas, das dadurch robuster wird», erklärt Erich Jaquemar von Vetropack. Die Flasche wird 30 Prozent leichter, verkratzt weniger schnell und wird dadurch länger verwendbar.

Die Fachleute sind sich einig: Soll sich die Mehrwegglasflasche durchsetzen, braucht es Standards. Diese müssten von Handel, Abfüllern und Logistikern gemeinsam festgelegt werden. Die Folge davon: Spezielle Flaschenformen als Marketingelement fallen so weg.

Pfand, Gebühr oder App?

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Diskutiert wird unter Fachleuten, welche Art der Finanzierung bei Mehrwegglas Sinn macht. Das verbreitete Pfand ist umstritten, weil es falsche Anreize schaffen kann. In der Schweiz bereits eingeführt ist eine geringe vorgezogene Entsorgungs- oder Recycling-Gebühr auf Glasflaschen. Offen ist, ob diese erhöht und vor allem auf Mehrwegglas erhoben oder vielmehr als Lenkungsabgabe auf alle Nicht-Mehrweggebinde entrichtet werden soll. Fachmann Markus Grumann geht noch einen Schritt weiter und möchte Flaschen per QR-Code und via App abrechnen. Zurückgebrachte Flaschen sind gratis, die andern werden verrechnet.

Wenn die Schweiz künftig verstärkt auf Mehrwegglas setzen will, sollte sie also von Anfang an Standards festlegen. Gleichzeitig müsse der Staat – ähnlich wie in der EU – Regeln festlegen und so Anreize für den Wandel schaffen. «Ohne diesen Impuls wird der Wechsel viel zu lange dauern», ist Markus Grumann überzeugt.

Auch ETH-Umweltingenieurin Melanie Haupt würde einen solchen Schritt begrüssen: «Glasbehälter zu waschen und wiederzuverwenden, verbraucht deutlich weniger Energie als Scherben zu rezyklieren und in neue Glasflaschen zu giessen.» Die grosse Herausforderung bleibe die Logistik, sagt die Fachfrau für nachhaltige Kreislaufwirtschaft: «Transport ist vor allem dann ein grosses Problem, wenn die Verpackungen nicht komplett standardisiert sind. Wenn ich ein standardisiertes System habe, in welchem die Flaschen irgendwo zurückgegeben und lokal gereinigt und wieder befüllt werden können, löst sich das Problem von selbst.»

Sammeln vs. Wiederverwenden

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In der Schweiz landen mehr als 9 von 10 Glasflaschen in der Glassammlung. Allerdings sagt diese Zahl wenig darüber aus, was mit dem Glas danach passiert. Eine Studie des Labors für angewandte Kreislaufwirtschaft der Empa und der Universitäten Lausanne und St. Gallen im Rahmen des NFP 73 kam zum Schluss, dass 2020 zwei Drittel des Altglases exportiert und nur ein Viertel hierzulande rezykliert wurde. Entsprechend kommen die Autoren und Autorinnen zum Schluss, dass eine Wiederverwendung von Glas ökologisch mehr Sinn macht als es «nur» zu sammeln.

Das heisst: Wenn sich die Mehrwegglasflasche wieder etablieren soll, braucht es die Bereitschaft der Politik, der Wirtschaft und der Konsumentinnen und Konsumenten, das ganze System Glasflasche von der Produktion über die mehrfache Befüllung bis zur Recyclingmulde neu zu denken.

Echo der Zeit, 03.09.2023, 18:00 Uhr

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