Es ist vorerst ein Versuch. Ein Versuch allerdings, der längerfristig vieles auf den Kopf stellen könnte. Statt neue Waschmaschinen zu verkaufen, vermietet V-Zug diese an Geschäftskunden. Die Geräte bleiben im Besitz von V-Zug, die Verantwortung für Wartung und Reparatur ebenfalls.
Warum das? Man wolle weg von der Devise «Herstellen, nutzen, wegschmeissen», sagt Marcel Niederberger, der beim Hersteller von Haushaltsgeräten für die Nachhaltigkeit verantwortlich ist. «Wir wollen Rohstoffe so lange wie möglich im Kreislauf halten – ein Kernprinzip der Kreislaufwirtschaft.»
Bis jetzt sind laut V-Zug «einige 100 Waschmaschinen» an Kunden vermietet. Nach Ende der Mietdauer, nach acht bis zwölf Jahren, nimmt das Unternehmen die Geräte zurück, verbaut einzelne Teile wieder. Niederberger sieht Vorteile in dieser völlig neuen Art zu geschäften.
Für V-Zug steigt der Anreiz, mehr in die Langlebigkeit der Produkte zu investieren. Je weniger oft V-Zug beim Kunden für Reparaturen und Service vorbeigehen muss, desto mehr rechnet sich die Vermietung. Oder wie es V-Zug-Mann Niederberger sagt: «Je weniger Servicegänge wir haben, umso besser wird der Business-Case.»
SBB will längere Nutzungszyklen
Einer der Mieter sind die SBB. Sie bauen zurzeit in Basel, direkt beim Bahnhof St. Johann, eine Überbauung mit 69 Wohnungen. In jede kommt ein Waschturm von V-Zug – allesamt gemietet.
Bislang sei es bei Ausschreibungen oft um den Preis gegangen, nicht um die Langlebigkeit der Produkte, sagt SBB-Gesamtprojektleiter Samuel Pillichody. «Immer kürzere Nutzungszyklen – das ist genau das, wovon wir wegkommen wollen. Wir wollen die Hersteller motivieren, Produkte herzustellen, die lange leben – wie früher.»
In der Schweizer Unternehmenslandschaft sind solche Geschäftsmodelle die Ausnahme. Tobias Stucki von der Fachhochschule Bern hat jüngst in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich untersucht, wie weit verbreitet die Kreislaufwirtschaft ist – der Gedanke also, Ressourcen so effizient wie möglich zu nutzen, indem man langlebige Produkte entwickelt, sie rezykliert und Materialien wiederverwendet.
40 Prozent der Schweizer Unternehmen machen punkto ökologischer Nachhaltigkeit noch gar nichts.
Stuckis Fazit: «40 Prozent der Schweizer Unternehmen machen punkto ökologischer Nachhaltigkeit noch gar nichts.» Gut 10 Prozent wagten sich an neue, zirkuläre Geschäftsmodelle.
Die Herausforderung: Verdoppelt sich die Haltbarkeit eines Produktes, dauert es auch doppelt so lange, bis es vom selben Konsument wieder gekauft wird. Stucki ist überzeugt: Wenn Firmen in höhere Qualität investierten und somit höhere Produktionskosten haben, «aber doch noch produktiv bleiben und Rendite erzielen wollen, wird man nicht darum herumkommen, solche Geschäftsmodelle einzuführen».
Vermieten statt verkaufen: Bei Autos oder Skis ist das mittlerweile völlig normal. Und doch ist das Thema in der Schweiz noch nicht besonders heiss, deutlich weniger heiss als etwa in Deutschland. Das mussten auch grosse Player wie Ikea lernen.
Lucie Rein will das ändern. In ihrer Idealvorstellung überlegen sich Konsumentinnen und Konsumenten bei jeder grösseren Anschaffung zuerst, ob Mieten nicht sinnvoller wäre. «Wir leben in einer Welt mit limitierten Ressourcen», sagt sie, «wir können nicht alle alles besitzen».
Das sei weder ökologisch, noch wirtschaftlich sinnvoll. Rein ist Chefin von Sharely, einer Plattform, auf der man Alltagsgegenstände aller Art vermieten und mieten kann. Besonders gefragt seien derzeit Drohnen, Autoanhänger und Beamer.
45'000 Userinnen und User hat Sharely derzeit. Lucie Rein will die Zahl alleine dieses Jahr auf 300'000 vervielfachen. Mithilfe finanzstarker Investoren hat sie die Plattform in den vergangenen Monaten professionalisiert. Ein Risiko, aber die 31-Jährige ist vom langfristigen Erfolg überzeugt: «Nehmen Sie Spotify oder Netflix als Beispiel. Niemand käme mehr auf die Idee, einen Film zu besitzen. Dieser Paradigmenwechsel findet auch bei Objekten statt.»
Lucie Rein hat als Managerin für Grosskonzerne gearbeitet, für Nestlé und Barilla. Danach hat sie die App «Too good to go» in der Schweiz aufgebaut. Sie will nicht einfach Gutes tun. Sie will Gutes tun und damit Geld verdienen.
Nehmen Sie Netflix als Beispiel: Niemand käme mehr auf die Idee, einen Film zu besitzen.
Nachhaltigkeit sei wichtig, sagt sie. Aber es reiche nicht, um Kunden zu gewinnen. «Wir müssen Nachhaltigkeit mit anderen Vorteilen verbinden», ist Rein überzeugt. Im Fall von Sharely ist es Bequemlichkeit: Wer etwas mieten will, soll dies mit wenigen Klicks und innert kurzer Zeit tun können.
Nur: Dazu braucht es viele Anbieter an vielen Orten. Damit die Zahl der Anbieter steigt, holt Lucie Rein Firmen aus dem Detailhandel an Bord. Grosse Ketten wie OBI vermieten heute schon – unabhängig von Sharely – einzelne Artikel. Lucie Rein will möglichst viele grosse Player auf ihre Plattform holen.
Mit der Migros Zürich ist die Unternehmerin bereits im Geschäft: Migros Zürich bietet gut zehn Produkte ihrer Fachmärkte Do it + Garden auf Sharely zur Miete an, zum Beispiel Vertikutiergeräte.
Ob sich das für die Migros lohnt? Spartenleiter Marcel Leimgruber rechnet so: «Die gemieteten Artikel brauchen Zusatzverkäufe – nicht dass dem Kunden zu Hause das Pflegemittel fehlt, wenn er einen Teppichsauger mietet.»
Auch der Gerätehersteller Kärcher bietet Produkte auf Sharely an. Interdiscount tat dies ebenfalls, hat sich aber wieder zurückgezogen.
Die Chefin will weitere Anbieter auf ihre Plattform holen, etwa Quartierläden. «Wenn Sie heute in einen Laden gehen, können Sie nur kaufen oder nicht kaufen», sagt sie. Wenn es nun eine dritte Option – mieten – gebe, könnten Läden neue Kunden gewinnen.
Mieten statt kaufen: Erste Schritte Richtung Kreislaufwirtschaft sind gemacht. So richtig in Schwung ist sie aber noch nicht. Das hängt laut Ökonom Tobias Stucki auch damit zusammen, dass die Schweiz spät damit begonnen hat. «In anderen Ländern ist man mit der Kreislaufwirtschaft schon länger dran und weiter.»
Warum Uhren nicht vermietet werden
Stucki glaubt, dass der Druck auf hiesige Firmen noch zu wenig gross sei, um umzudenken. Er erklärt dies am Beispiel der Uhrenindustrie. Mechanische Schweizer Uhren seien qualitativ hochwertig und langlebig – trotzdem gebe es kaum zirkuläre Geschäftsmodelle, keine Uhren-Vermietung.
Grund sei die hohe Zahlungsbereitschaft der Konsumentinnen und Konsumenten: «Solange die Firmen die Preise erhöhen können, wenn sie ihre Produkte langlebiger produzieren, können sie auch ihren Umsatz halten.» Umschwenken auf zirkuläre Geschäftsmodelle drängt sich dann rein betriebswirtschaftlich nicht auf.