Erdöl, Metalle oder auch Getreide: Die Schweiz ist weltweit einer der wichtigsten Handelsplätze für Rohstoffe. Rund ein Drittel des ganzen Ölhandels wird zum Beispiel in der Schweiz abgewickelt. Die weltweit grössten Rohstoffhändler haben ihre Konzernsitze in der Schweiz. Bekannte Namen sind etwa Glencore im Kanton Zug oder Gunvor in Genf.
Die Bedeutung sei in den letzten Jahren noch grösser geworden, sagt Elisabeth Bürgi, Rohstoffexpertin der Universität Bern. «Die Bedeutung des Rohstoffhandelsplatzes wurde lange Zeit unterschätzt», sagt sie.
Der Sektor ist viel grösser als zum Beispiel der Tourismus. Und er ist ähnlich gross wie der Finanzsektor.
Inzwischen dürfte der Rohstoffhandel 4.8 Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts ausmachen. «Der Sektor ist viel grösser als zum Beispiel der Tourismus. Und er ist ähnlich gross wie der Finanzsektor.»
Der Schweizer Rohstoffhandel sei dank des Schweizer Finanzplatzes gewachsen, so Bürgi weiter. «Diese Nähe zum Finanzplatz hilft dem Rohstoffhandelsplatz. Dieser kommt so viel einfacher an Kapital.»
Drehscheibenstandort historisch bedingt
Zwei Handelsplätze also, die historisch zusammen gewachsen sind. Reto Föllmi, Wirtschaftsprofessor in St. Gallen, erklärt: «Die Schweiz hatte schon früh im 19. Jahrhundert Firmen, die sich multinational aufstellen mussten.» Denn: Die Schweiz war als kleines Binnenland immer benachteiligt bei den Handelsströmen. Dadurch musste sie sehr rasch eine Infrastruktur entwickeln, um eben den Handel hier zu finanzieren.»
Und so hat sich die Schweiz zur bedeutenden Drehscheibe entwickelt für Rohstoffe und Vermögen – auch russische. Zum Beispiel werden laut den Experten rund 80 Prozent des russischen Ölhandels über die Schweiz abgewickelt. «Russland ist ein sehr grosser Exporteur von Rohstoffen und logischerweise spielt dann die Schweiz als Handels- und Finanzplatz dafür ebenfalls eine bedeutende Rolle.»
Es ist möglich, den Rohstoffhandel, der sich jetzt auf China verlagern wird, über andere Kanäle abzuwickeln.
Sollte die Schweiz aber russische Händlerinnen und Händler mit Sanktionen belegen, besteht die Möglichkeit, dass sie auf andere Handelsplätze ausweichen. «Es ist dann trotzdem möglich, den Rohstoffhandel zum Beispiel über andere Kanäle und Plätze abzuwickeln», sagt Föllmi von der Universität St. Gallen. «Das ist zwar viel mühsamer, aber nicht unmöglich.»
Schweiz nicht einziges, wichtiges Land
Auch Cornelia Meyer, die Erdölunternehmen berät, sagt, für Russland als Rohstoffexporteur sei die Schweiz wichtig, aber nicht die einzige Möglichkeit, Geschäfte abzuwickeln. «Das ist ein globales Geschäft, das 24 Stunden um die ganze Welt herum geht. Die Schweiz ist sehr wichtig für diese Länder, aber es ist nicht das einzige wichtige Land.»
Der Bundesrat will russische Geschäfte zwar weiterhin ermöglichen, zugleich aber verhindern, dass jene Geschäfte, die im Ausland sanktioniert werden, nun von der Schweiz aus möglich sind.
Gewisse haben enorme Gewinne mit russischem Öl gemacht und somit auch die russische Wirtschaft weiter gestärkt.
Für David Mühlemann, Experte für Rohstoffhandel bei der Nichtregierungsorganisation Public Eye, ist das einfacher gesagt als getan. «Wir haben in den letzten Jahren, als die Sanktionen wegen der Krim eingeführt wurden, gesehen, dass diese insbesondere im Bereich des Rohstoffhandels nicht ganz klar waren.» Die Geschäfte zwischen den Rohstoffhändlern und Russland hätten weiter floriert, so Mühlemann.
«Gewisse haben enorme Gewinne mit russischem Öl gemacht und somit auch die russische Wirtschaft weiter gestärkt.» Die Schweiz wird also weiter mit russischen Rohstoffen Geld verdienen, vielleicht sogar mehr als bisher, was für Kritik sorgt und den Druck auf den Bundesrat erhöht.