Die Credit Suisse hat einen massiven Vertrauensverlust erlitten. Um die schwer angeschlagene Grossbank wieder in die Spur zu bringen, ist am Wochenende Hektik aufgekommen. Die Regulatoren drängen die Konkurrenzbank UBS dazu, die CS ganz oder in Teilen zu übernehmen. SRF-Wirtschaftsredaktor Reto Lipp schätzt in der «Tagesschau» die aktuelle Entwicklung und die zirkulierenden Gerüchte ein.
SRF News: Studiogespräche gibt es in der «Tagesschau» fast nie. Es sei denn, es brennt. SRF-Wirtschaftsredaktor Reto Lipp: Brennt's?
Reto Lipp: Ja, es brennt lichterloh. Wenn diese Spekulationen stimmen, dann zeichnet sich wirklich ein Erdbeben auf dem Schweizer Finanzplatz in der Schweizer Wirtschaft ab. Denn die Credit Suisse ist auch eine Unternehmerbank. Von den 100 grössten Firmen in der Schweiz haben 80 Geschäftsbeziehungen mit der CS. Da geht es um Millionen von Kunden und Bankkonten.
Es gibt zwar nur Gerüchte, aber die Frage stellt sich: Ist es eine gute Lösung, wenn die CS von der UBS übernommen wird?
Nein, es ist keine gute Lösung. Wir sehen ja schon jetzt, die CS ist «too big to fail», zu gross, um unterzugehen, darum beschäftigen sich jetzt alle mit der CS, die Finma, die Nationalbank, der Bundesrat. Wenn nun eine solche Bank mit einer anderen zusammengelegt wird, dann ist die Bank, die daraus entsteht, eine noch viel grössere Bank. In der letzten Zeit war es immer einmal die CS, bei der es gut gelaufen ist, und die UBS hatte ein Problem – oder umgekehrt. Aber am Ende werden wir eine einzige Monsterbank haben, und wenn es der mal schlecht geht, geht’s der ganzen Schweiz schlecht.
Bemerkenswert ist ja auch das aktuelle Tempo der Entwicklung. Warum muss es denn jetzt dermassen schnell gehen?
Es gäbe andere Lösungen. Man hätte zum Beispiel gesunde Teile der CS an andere Banken abtreten können, etwa das Fondsgeschäft an die UBS oder das Private Banking an eine Privatbank. Aber das hätte Wochen gedauert und wäre sehr kompliziert gewesen. Ich glaube, es ist vor allem die Nationalbank, die auf eine einfache, schnelle Lösung drängt. Denn die Nationalbank hat Horror vor dem nächsten Montag, wenn die Bankschalter und die Börsen wieder aufgehen, dass es da einen Totalabsturz geben könnte. Darum drückt sie aufs Tempo. Und die einzige realistische Möglichkeit, das an einem Wochenende durchzubekommen, ist eine Übernahme.
Meistens ist es ja so: Bei einer Fusion wollen beide, bei einer Übernahme will auf jeden Fall einer. Aber man hat den Eindruck, dass die UBS gar nicht will?
Die UBS ist ganz störrisch und das hat natürlich einen Grund: Die UBS hat sich ja in den letzten Jahren erholt – nachdem sie ja auch einmal gerettet werden musste. Die Bank steht heute sehr gesund da, macht Gewinne und hat einen hohen Börsenwert. Jetzt eine gesunde Bank mit einer kranken Bank zusammenzulegen ist natürlich problematisch, weil der Kranke den Gesunden anstecken kann. Was wir jetzt nicht wollen, ist, dass nun auch die UBS ein Problem bekommt. Das Ganze ist in höchstem Masse problematisch.
Die CS hat in der Schweiz 16'000 Mitarbeitende. Es gibt vielerorts CS-Filialen vis-à-vis von UBS-Filialen, also viele Redundanzen. Droht jetzt eine riesige Entlassungswelle?
Das könnte sein. Beide Banken haben weit über 300 Filialen, was viel zu viele sein werden. Da gibt es Doppelspurigkeiten in der Informatik, im Personalwesen und im Management sowieso. Das ist wirklich eine schwierige Situation, und da wird sehr viel auf die Mitarbeitenden zukommen. Es gibt aber zwei Lichtblicke: Es wäre durchaus möglich, dass eine ausländische Bank gewisse kleine Teile übernimmt und dann in der Schweiz weiterführt. Es gab Gerüchte, die Deutsche Bank sei interessiert und die könnte diese Mitarbeitenden behalten. Glücklicherweise ist der Schweizer Arbeitsmarkt in einer sehr guten Verfassung und es herrscht ein Fachkräftemangel – Fachleute sind also derzeit gesucht.
Möglicherweise wird in den nächsten Stunden oder morgen Abend das Ende einer einst so stolzen Bank verkündet. Um die letzte Frage kommt man darum nicht herum: Wer ist schuld?
Die Schuldfrage wird sicher noch aufkommen. Ich würde das Gewicht auf den Verwaltungsrat legen. Man sagt ja immer, die Manager waren schrecklich: Brady Dougan, Tidjane Thiam und auch Thomas Gottstein. Aber man muss sagen, es sind die Verwaltungsräte, die zehn Jahre lang die falschen Leute an die Macht gebracht haben. Es sind die Verwaltungsräte, die zugeschaut haben, wie die Bank viel zu lange am Investment Banking festgehalten hat. Es sind die Verwaltungsräte, die das Risikomanagement nicht richtig überwacht haben. Kein Mensch spricht von den Verwaltungsräten, ausser von Urs Rohner, der als Verwaltungsratspräsident tatsächlich zehn Jahre an der Macht war. Aber es können sich nicht alle hinter Rohner verstecken – es waren alle dabei.
Das Gespräch führte Florian Inhauser.