Die Vertrauenskrise bei der systemrelevanten Grossbank Credit Suisse spitzt sich zu: Kundinnen und Kunden ziehen ihr Geld ab, Aktionäre kehren der Bank den Rücken und andere Banken sollen laut Medienberichten die Zusammenarbeit mit der CS eingeschränkt haben. Zusätzlich für Aufregung sorgt die Meldung der renommierten «Financial Times», wonach dieses Wochenende Gespräche zwischen der UBS und der CS sowie der Nationalbank SNB und der Aufsichtsbehörde Finma bezüglich einer Übernahme stattfänden. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Turbulenzen um die CS.
Im Fall Credit Suisse ist es nicht immer leicht, zwischen Fakten und Gerüchten zu unterscheiden. Wie wahrscheinlich ist es, dass jetzt Gespräche zwischen UBS und CS stattfinden?
Die «Financial Times» oder kurz «FT» ist ein wichtiges Finanzmedium mit guten Kontakten in die Wirtschaft und Politik. Diese Meldung muss man deshalb ernst nehmen. Dass die UBS als Retterin in der Not in Erscheinung treten könnte, ist ebenfalls nicht abwegig. Ich glaube aber, dass dies eines von mehreren Szenarien ist, das jetzt geprüft wird. Auch der Bund dürfte in die Gespräche involviert sein. Eine Lösung müsste in erster Linie die Stabilität des ganzen Finanzsystems gewährleisten können, in der Schweiz wie auch global. Es ist durchaus naheliegend, dass die Aufsichtsbehörden die «FT» diskret über die geplanten Gespräche informierte. Auf diesem Weg lassen sich die Märkte auf kommende Entwicklungen vorbereiten.
Diese Woche überschlagen sich die Ereignisse. Am Mittwochmorgen hiess es noch «alles im Griff», jetzt redet man schon von konkreten Rettungsplänen. Wie kann das sein?
Im Finanzsystem kann alles sehr schnell gehen. Das haben wir schon bei der Rettung der UBS vor 15 Jahren gesehen. Wenn andere Banken der CS den Geldhahn zudrehen, wird es schnell bedrohlich. Oder wenn die Kundschaft von der SNB-Liquiditätsspritze statt beruhigt weiter verunsichert wurde, könnte dies zu weiteren Geldabflüssen geführt haben. Auch der Druck der ausländischen Zentralbanken auf die Schweiz, bald eine Lösung zu präsentieren, dürfte immens sein. Aber wie dramatisch es wirklich ist, wissen wir nicht. Dazu haben bis jetzt weder die Credit Suisse noch der Staat genügend Transparenz geschaffen.
Sollte man als CS-Kundin oder CS-Kunde nun sein Geld in Sicherheit bringen?
Diese Frage muss jeder und jede für sich selbst beantworten. Es steht mir nicht an, hier Ratschläge zu erteilen. Fakt ist: Jeder Franken, der abgezogen wird, verschärft die Krise. Und Fakt ist auch, dass Bund, SNB, Finma und CS alles dafür tun werden, dass sich der Schaden für die CS-Kundschaft auch im Extremfall in Grenzen halten würde. Ausserdem sind Einlagen bis 100'000 Franken geschützt, sprich nicht gefährdet. Die rationale und an die gesamte Volkswirtschaft denkende Antwort lautet darum: Nein.
Aktuell wissen wir nicht, was hinter den Kulissen verhandelt wird. Es gibt mehrere Szenarien. Was sind die wahrscheinlichsten?
Wenn die Beteiligten zum Schluss kommen, dass die Credit Suisse den aktuellen Sturm ohne Extremmassnahmen übersteht, könnte sie weiter machen wie bisher – natürlich mit finanzieller Unterstützung der SNB, allenfalls auch mit einer Hilfeleistung des Bundes. Wenn dies nicht mehr für möglich gehalten wird, käme eine Aufspaltung der Bank infrage. Danach würden die einzelnen Einheiten an andere Finanzinstitute verkauft werden müssen. Für attraktive Einheiten wie das Schweiz-Geschäft fänden sich bestimmt viele Interessenten. Für das angeschlagene Investment Banking dagegen müsste allenfalls eine separate Lösung gefunden werden.
Wäre eine Übernahme der UBS sinnvoll?
Sie hätte sicher die Grösse und Stärke hierfür. Aber es gibt auch zahlreiche Risiken. Denken wir nur schon daran, wie gross die neue UBS/CS sein würde. Die «too big to fail»-Problematik bekäme eine ganz andere Dimension. Ausserdem würde es wohl zu einem massiven Stellenabbau kommen. Es ist darum zu hoffen, dass die Credit Suisse weiter existieren kann. Was ebenfalls nicht unterschätzt werden darf: Wenn es nur noch eine statt wie bisher zwei Grossbanken in der Schweiz gäbe, wäre dies aus Wettbewerbssicht sicher nicht ideal. Gleichzeitig ist die CS auch in viele Schweizer Finanzdienstleistungen eingebunden, die in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden. Etwa im Geschäft mit institutionellen Anlegern, wie etwa Pensionskassen.
Die «FT» bringt neben der UBS nun auch Blackrock, den grössten Asset-Manager der Welt, als Übernahmekandidatin ins Spiel. Ein realistisches Szenario?
Blackrock ist bereits ein wichtiger Geschäftspartner der Credit Suisse und dazu ein finanzkräftiger. Allerdings schreibt Blackrock SRF dazu: «Wir haben keine Pläne, die Credit Suisse ganz oder teilweise zu übernehmen. Wir haben auch kein Interesse an einer solchen Übernahme.»