Robert Zimmerli ist einer der ersten, die zuhause einen 5G-Anschluss haben. Jahrelang surfte der pensionierte Maschinenschlosser über die Telefonleitung. Neu steht auf seinem Schreibtisch ein Router von Sunrise mit einer 5G-Simkarte – und dieser versorgt sein Haus mit schnellem Internet.
«Ich war vorher nie sicher: Kommt die Seite, die ich will, oder kommt sie nicht?», sagt Zimmerli. «Jetzt weiss ich: Wenn ich drücke, geht es einen Augenblick, und dann ist sie da.»
Zimmerli lebt abgelegen im aargauischen Unterkulm. Glasfaser bis hierhin zu verlegen, ist zu teuer. 5G schliesst die Lücke.
Sunrise will 250 Millionen pro Jahr investieren
152 Standorte hat Sunrise bislang mit 5G aufgerüstet, bei Swisscom sind es 102 Standorte. Auch Salt will 5G dieses Jahr einführen. Die Schweiz liegt damit im internationalen Vergleich auf den vordersten Plätzen.
Für den weiteren Ausbau müssen die Telekomfirmen kräftig investieren. Es wird nicht reichen, die bestehenden Standorte aufzurüsten. Der Telekomverband Asut spricht von mindestens 15'000 neuen Antennen.
Hinter den Kulissen versuchen die Anbieter, Immobilienbesitzer für neue Antennen-Standorte zu gewinnen. Pro Standort bietet Sunrise schon mal 8'000 Franken Miete pro Jahr, wie Dokumente zeigen, die «ECO» vorliegen.
«Wir werden dieses Jahr im gesamten Netzwerkbereich 180 Millionen Franken investieren – das sind 20 Millionen mehr als letztes Jahr», sagt Sunrise-Chef Olaf Swantee. In naher Zukunft wird dieser Betrag markant steigen, laut Swantee auf 250 Millionen Franken pro Jahr.
Sunrise-Chef: «Es braucht längere Zeit»
Doch wann und wie verdienen die Telekomfirmen mit 5G Geld? Für Sunrise sind Anschlüsse auf dem Land eine Möglichkeit, neue Kunden zu erschliessen. Zudem bietet das Unternehmen ab Mai 5G-Handys an. Zusatzkosten für Konsumenten, die auf 5G surfen wollen: 10 Franken pro Monat. Auch Swisscom bringt im Mai 5G-Smartphones in die Läden.
Entscheidend aber wird sein, welche Zusatzdienste die Betreiber dereinst auf ihren schnellen Netzen anbieten können. Telekom-Experte Sascha Hertli von Mc Kinsey & Company sagt: «Ein Teil des Kuchens wird immer beim Netzbetreiber landen.» Die Frage sei aber, ob Netzbetreiber zusätzliche Services aufbauen können – wie der US-Riese Amazon, der auf der Basis des Retailgeschäfts das Cloudbusiness aufgebaut hat.
Dass es dauern wird, bis sich 5G wirklich rechnet, bestätigt Sunrise-Chef Swantee: Im Telekomgeschäft müsse man langfristig denken. «Wir sind uns das gewohnt, wir haben bei jeder Technologie – 2G, 3G, 4G – über Jahre investiert. Es braucht längere Zeit.»
Umso mehr, als der Widerstand gegen 5G wächst. Mehrere Westschweizer Kantone setzen den Bau neuer Antennen aus oder prüfen dies – wegen Gesundheitsbedenken. Auch in der Deutschschweiz sind Vorstösse hängig. Obschon Grenzwerte in der Schweiz gemäss Bund strenger sind als in den meisten umliegenden Ländern.
Widerstand gegen Huawei
In der Kritik ist auch der Netzwerkpartner von Sunrise: der chinesische Milliardenkonzern Huawei. Für viele Länder ist Huawei ein rotes Tuch. Die USA – ebenso Japan, Australien und Neuseeland – verbieten ihren Telekom-Firmen, bei 5G mit Huawei zusammenzuarbeiten.
Die Angst: Huawei könnte China dabei helfen, an Daten ausländischer Regierungen und Firmen zu kommen. Beweise dafür gibt es nicht.
Angst vor Huawei erreicht Bundesbern
Huawei beliefert die Swisscom beim Festnetz und Sunrise bei 5G. Die Sorge, Huawei könnte sensible Daten abgreifen, erreicht nun auch die Schweizer Politik. CVP-Nationalrat Karl Vogler hat eine Interpellation eingereicht. Er will vom Bundesrat wissen, wie dieser die Telekomfirmen in die Pflicht nimmt.
«Ich erhoffe mir, dass der Bundesrat und die Telekom-Unternehmen sensibilisiert sind und den Tatbeweis erbringen, dass beim Aufbau der Netze keine Daten an Orte abfliessen, die ich als Konsument nicht will», sagt Vogler.
Sunrise-Chef Swantee sagt, Huawei habe keinen Zugriff auf Kundendaten. «Wir machen jedes Jahr Tests. Wir haben die höchste ISO-Zertifizierung für unsere gesamte Infrastruktur, wir stellen das also absolut sicher.»
Das wäre ein blinder Menschenversuch.
Der Ethiker Peter Kirchschläger sieht zwar die Vorteile für Nutzer von 5G. Doch er gibt im Interview zu bedenken, dass die Risiken dieser Technologie relevant sind. Einfach vorwärts zu machen, ohne die Konsequenzen zu kennen, sei falsch.
SRF: Telekomanbieter versprechen sich und uns grosse Vorteile und neue Anwendungen mit 5G. Macht 5G das Leben wirklich besser?
Peter G. Kirchschläger: Natürlich bringt 5G Vorteile, auch ökonomische Vorteile. Aber die Risiken sind auch zu benennen: Wir haben Bevölkerungsgruppen, die elektrosensibel sind und stark in ihrem Alltag beeinträchtigt werden. Sie würden darunter leiden, und das hat eine Relevanz für die Menschenwürde.
Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass wir nicht genau wissen, wie gross die Gesundheitsrisiken sind. In den USA haben Forscher im Rahmen einer 2018 veröffentlichten Studie der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde Ratten einer erhöhten Strahlung ausgesetzt, und männliche Ratten hatten in der Folge ein erhöhtes Risiko für eine spezifische Tumor-Art.
Man könnte ja auch sagen: So lange wir keine negativen Einflüsse belegen können, machen wir vorwärts.
Das wäre ein blinder Menschenversuch. Und das ist ethisch problematisch, weil man die Gesundheit der Menschen aufs Spiel setzen würde.
Normalerweise macht man es umgekehrt. Man schätzt die Technologie-Folgen sorgfältig ab, macht Studien, um zu schauen, ob Innovationen gesundheitsschädigend sind. Und wenn man Resultate hat, entscheidet man, ob man sie einführt oder nicht. Und das Gleiche würde ich für 5G verlangen.
Ist es realistisch, dass wir uns einschränken und nicht alles machen, was technologisch machbar ist?
Ich halte das sehr wohl für realistisch, weil der Mensch aufgrund seiner Moral-Fähigkeit Nein sagen kann zu Dingen, obwohl sie machbar sind.
Es gibt auch Beispiele aus der Menschheitsgeschichte. Es ist eine etwas schiefe Analogie, aber sie hat illustrative Wirkung: Im Bereich der Nuklear-Technologie hat sich die Menschheit dazu entschlossen, nicht alles technisch Machbare zu machen, sondern sich zu beschränken – in Form einer internationaler Atomenergie-Behörde, welche die Nutzung der Nuklear-Technologie überwacht. Die Idee dahinter war, den Menschen vor Schlimmem zu schützen, das vorstellbar war.