Die aktuelle Krise am Kryptomarkt habe sogar etwas Gutes, sagt Urban Angehrn, Chef der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma. «Diese Krise, wenn es denn wirklich eine ist, ist ein heilsamer Moment für diese Industrie, um etwas von der heissen Luft abzulassen.» Seiner Meinung nach ist das aber keineswegs das Ende der Krypto-Industrie.
«Es könnte sehr gut ein Zeichen für eine kommende Konsolidierung sein.» Die Finanzstabilität sei nicht gefährdet und momentan seien auch keine Auswirkungen auf Regulierung oder Aufsicht zu erwarten, sagt er. Im Fokus der Finma seien kriminelle Krypto-Aktivitäten generell, insbesondere die Geldwäscherei.
Angehrn spricht von einem zweischneidigen Schwert: «Eine Überweisung von Kryptowährungen findet sehr schnell statt, anonym und international. Das sind schlechte Voraussetzungen für die Geldwäschereiabwehr.» Andererseits sei es ein Vorteil, dass alle Transaktionen auf einer offenen Blockchain nachvollziehbar seien. Das mache das Nachverfolgen einfacher.
Hohe Dunkelziffer
Weil Geld grenzüberschreitend gewaschen wird, ist es schwierig zu beziffern, wie stark die Schweiz tatsächlich betroffen ist. Weltweit aber waren 2021 weniger als ein Prozent aller Krypto-Transaktionen krimineller Natur, so wenig wie nie zuvor, wie die Firma Chain Analysis berichtet, die Geldwäsche und Kriminalität im digitalen Raum untersucht.
Und obwohl anteilsmässig wenig, sind es doch 14 Milliarden Dollar an illegalem Geld, das immer noch jährlich weltweit über Kryptowährungen verschoben wird. Die Dunkelziffer dürfte noch höher sein. Dabei könnten die Behörden und Finanzintermediäre mehr tun. Wie die Kriminellen selber könnten sie technologische Möglichkeiten stärker nutzen.
Die Rückverfolgung von auf ewig gespeicherten Informationen sei aber kompliziert, erklärt Angehrn. «Geldwäscherei durchzuführen ist ja üblicherweise nicht eine Überweisung, sondern ein ganzes Schema von mehreren verbundenen Transaktionen mit mehreren Personen über mehrere Finanzintermediäre. Man muss mit viel Zeit und Geduld dieses komplexe Schema untersuchen, um das Muster zu sehen.»
Das sei eine Art forensische Kleinarbeit, so Angehrn. Künstliche Intelligenz könnte künftig dabei helfen, diese Kleinarbeit zu leisten. Zusätzlich diskutiert wird auch eine international einheitliche Regulierung und Überwachung. Ende Juni einigten sich die EU-Länder auf ein Gesetz, um Krypto-Überweisungen nachverfolgbar zu machen.
Schweizer Vorreiterrolle
Damit müssen Krypto-Plattformen künftig Informationen über Sender und Empfänger ermitteln, wenn sie Transaktionen abwickeln. Es ist durchaus bahnbrechend, dass die EU einheitlich regulieren möchte und internationale Standards in dem Bereich etabliert.
In der Schweiz existiert diese Art der Regulierung schon seit 2019. Die Finma hat damals eingeführt, dass Krypto-Transaktionen nachverfolgbar sein müssen. Drogenkartelle und andere Geldwäscher dürften es damit in Zukunft in ganz Europa schwerer haben.
Wenn sie Bitcoin oder Ether in Bargeld umtauschen wollen, werden sie dank der neuen Regulierung tendenziell identifizierbar. In Zukunft werden kriminelle Organisationen wohl vermehrt wieder auf den traditionellen Koffer voller Bargeld umsatteln, um wirklich anonym zu bleiben.