Es ist eine Zwischenetappe in einem Verfahren, das Frankreichs Justiz seit über sechs Jahren beschäftigt. Durch alle Instanzen hatte der Schweizer Zementkonzern Holcim versucht, eine Anklage gegen Lafarge zu verhindern, mit dem Holcim 2015 eine Fusion eingegangen war. Nun hat der Kassationshof als Frankreichs höchstes Gericht entschieden.
Anklage wegen Schutzgeldern und Zementlieferungen an den IS
Die Anklage der Staatsanwaltschaft wegen Finanzierung der Terrormiliz Islamischer Staat und Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist formell zulässig. Jetzt wird sie ein Gericht in Paris inhaltlich beurteilen müssen.
Die Staatsanwaltschaft wirft Lafarge vor, der Konzern habe über seine syrische Tochtergesellschaft der Terrormiliz Islamischer Staat sowie Mittelsmännern in den Jahren 2013 und 2014 Schutzgelder von rund 13 Millionen Euro bezahlt.
Lafarge soll der Terrormiliz zudem Zement geliefert haben – um im Gegenzug Rohstoffe für den Betrieb der Zementproduktion beziehen zu können. Einen weiteren Anklagepunkt gegen Lafarge hat der Kassationshof zurückgewiesen: Der französische Konzern dürfe nicht wegen Gefährdung seiner syrischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verantwortung gezogen werden. Die syrische Tochtergesellschaft von Lafarge habe sie nach syrischem Recht angestellt – und sei darum in Frankreich nicht haftbar.
Lafarge will «Erbe der Vergangenheit» regeln
Formell ist nun der Weg frei für einen Prozess. In der Sache bleibt alles offen. Holcim geht so weit wie möglich auf Distanz: Lafarge habe dem Holcim-Verwaltungsrat die Vorfälle in Syrien bei den Fusionsverhandlungen im Jahr 2015 verschwiegen, hatte der Schweizer Konzern bereits früher erklärt.
Anfragen nach dem Entscheid des Obersten Gerichts werden von Holcim an die Pressestelle von Lafarge verwiesen. Diese antwortet, Lafarge sei dabei, dieses Erbe der Vergangenheit im Rahmen des juristischen Verfahrens zu regeln.
US-Busse und weitere Klagen
Die Vorsicht ist erklärbar: Das Syrien-Geschäft von Lafarge beschäftigt auch die US-Justiz. Bereits im Oktober 2022 einigte sich Lafarge-Holcim mit dem US-Justizministerium auf einen Vergleich. Der Konzern habe sich der Terrorfinanzierung schuldig bekannt und dafür eine Busse von knapp 778 Millionen US-Dollar akzeptiert.
Inzwischen sind in den USA weitere Klagen von Opfern der Terrormiliz Islamischer Staat und deren Angehörigen gegen Lafarge bekanntgeworden. Das Schuldbekenntnis des Zementkonzerns in den USA dürfte auch im Prozess in Frankreich eine Rolle spielen, für den das Oberste Gericht nun den Weg frei gemacht hat.