Zum Inhalt springen

Lohntransparenz Wissen Sie, was Ihre Arbeitskolleginnen und -kollegen verdienen?

Die Offenlegung der Löhne innerhalb des Unternehmens ist in der Schweiz wenig verbreitet. Es gibt jedoch Ausnahmen.

Über den Lohn spricht man nicht. Für viele Arbeitnehmende und auch für viele Schweizer Unternehmen stimmt dieses Credo immer noch. Gemäss Anna Sender, Professorin für Personalwesen an der Hochschule Luzern, verfügen 40 Prozent der Unternehmen über Lohnbänder, personenspezifische Gehälter sind für die Mitarbeitenden hingegen lediglich bei jedem fünften Unternehmen einsehbar.

Wie komplette Lohntransparenz funktionieren kann

Eines dieser Unternehmen ist die Zürcher IT-Firma Ergon Informatik. Dort funktioniert das transparente Lohnsystem seit der Gründung vor über dreissig Jahren. Die Löhne der heute 400 Mitarbeitenden sind für alle zugänglich und einsehbar. Dabei spielt es keine Rolle, ob man wissen möchte, was der Teamkollege oder die Chefin verdient.

«Lohntransparenz führt zu einer hohen Gleichbehandlung der Mitarbeitenden, und zwar unabhängig von Geschlecht, Alter oder Verhandlungsgeschick. Zudem ist es für uns ein wichtiges vertrauensbildendes Element und das fördert die Zusammenarbeit», begründet die Chefin Gabriela Keller den damaligen Entscheid.

Man weiss, dass man so bezahlt ist wie andere und nicht ellbögeln muss.
Autor: Chris Zwicker Software-Ingenieur, Ergon Informatik

Bei den Mitarbeitenden kommt das System gut an. «Es ist darum sehr spannend, weil man sich vergleichen kann und damit immer weiss, dass man so bezahlt ist wie andere und nicht ellbögeln muss», sagt der Software-Ingenieur Chris Zwicker.

Gleichzeitig kann die Vergleichbarkeit aber auch ein Nachteil sein, ergänzt Gabriela Keller. Die Vorteile des transparenten Lohnsystems würden aber deutlich überwiegen.

Dass unternehmensinterne Offenheit bei den Löhnen funktionieren kann, zeigt auch das Gastro-Unternehmen der Familie Wiesner. Die über 800 Angestellten in 28 Restaurants können den Lohn ihrer Arbeitskolleginnen und -kollegen seit knapp vier Jahren über ein Onlineformular anfragen. Die Personalabteilung nimmt anschliessend telefonisch mit dem oder der Antragstellenden Kontakt auf und erläutert den angefragten Lohn.

«Der Vorteil des Formulars und der mündlichen Auskunft ist, dass der Mitarbeiter nicht einfach eine nackte Zahl erhält, sondern erklärt werden kann, wie der Lohn zustande kommt», erklärt der Co-Chef, Daniel Wiesner.

Zusätzlich können Jobinteressierte über einen Online-Lohnrechner bereits im Vorfeld schauen, in welchem Lohnband sie sich beim Unternehmen bewegen würden.

Es ging immer nur ums Geld und man ist davon ausgegangen, dass die anderen mehr verdienen.
Autor: Daniel Wiesner Co-Chef Familie Wiesner Gastronomie

Früher habe es viele Spekulationen über den Lohn gegeben, sagt Wiesner. «Es ging immer nur ums Geld und man ist davon ausgegangen, dass die anderen mehr verdienen. Seit wir die Lohntransparenz eingeführt haben, hat sich das erübrigt und man konzentriert sich auf die Inhalte, also wie sich die Mitarbeitenden gezielt weiterentwickeln können.»

Offenheit beim Lohn eignet sich nicht für alle Unternehmen

Trotz Erfolgsgeschichten eignet sich ein transparentes Lohnmodell nicht für alle Unternehmen, sagt die Expertin Anna Sender. Es brauche einfache, nicht zu komplexe Lohnsysteme. «Zudem braucht es vonseiten der Mitarbeitenden grosses Verständnis für das Lohnsystem. Sie müssen das Lohnsystem als fair und nachvollziehbar erachten. Um das zu erreichen, braucht es schon sehr viel.»

Am transparentesten sei die öffentliche Verwaltung hinsichtlich der Gehälter ihrer Mitarbeitenden. Weniger offen zeige sich die Privatwirtschaft, insbesondere die Finanzbranche.

10vor10, 22.04.2025, 21:50 Uhr; sten

Meistgelesene Artikel