Das zeigen die neusten Zahlen des Bundes: Der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern hat in den letzten zehn Jahren abgenommen. 2022 verdienten Frauen in der Schweiz im Schnitt 16 Prozent weniger als Männer, 2012 waren es noch 19 Prozent. In den letzten vier Jahren war der Rückgang besonders gross. Das ist vor allem auf den öffentlichen Sektor zurückzuführen, aber auch im privaten Sektor ist der Lohnunterschied kleiner geworden.
Darum sinkt die Lohndifferenz: Der Hauptgrund dafür ist, dass eine neue Generation im Arbeitsmarkt tätig ist. Vor 20 Jahren hatten die Männer noch einen grossen Bildungsvorsprung. Heute sind die jungen Frauen besser ausgebildet als die Männer. Damit wird ein struktureller Faktor mit den Jahren weniger wichtig. Eine Analyse des Forschungsbüros BSS im Auftrag des Bundes zeigt auch: Je älter Männer und Frauen sind, desto grösser ist auch der Lohnunterschied.
Der erklärbare Unterschied: Ein Teil der Lohnungleichheit lässt sich mit strukturellen Unterschieden erklären. Das Bundesamt für Statistik bezeichnet Faktoren wie die berufliche Stellung, die Ausbildung oder die Branche als objektive, also eine Lohndifferenz erklärende Faktoren. Frauen sind im Schnitt weniger gut ausgebildet als Männer und arbeiten eher in Branchen mit tiefen Löhnen, etwa im Gesundheits- oder Sozialwesen. Sie arbeiten auch häufiger in Teilzeit und seltener in Kaderpositionen. All das ist für einen Teil der Lohndifferenz verantwortlich.
Der unerklärbare Unterschied: 2022 konnten sich die Statistikerinnen und Statistiker knapp die Hälfte der Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen nicht erklären. Das bedeutet: Bei Frauen und Männern mit vergleichbarer Ausgangslage gab es immer noch einen Lohnunterschied von fast acht Prozent. 2020 war dieser Wert mit neun Prozent noch leicht höher gewesen.
Diskriminierung oder legitime Lohndifferenz? Ob hinter dem unerklärten Unterschied wirklich Geschlechterdiskriminierung steckt, ist umstritten. Der Schweizerische Arbeitgeberverband etwa stellt diese Interpretation infrage. Das Argument: Die effektive Berufserfahrung einer Person gelte beim Bundesamt für Statistik nicht als erklärender Faktor – obwohl sie wichtig sei bei der Lohnbestimmung. Frauen nehmen öfter Familienauszeiten, haben also im Schnitt weniger Berufserfahrung als Männer. Das müsse man berücksichtigen dürfen, so Daniella Lützelschwab vom Arbeitgeberverband. Dem widerspricht Alliance F, der Dachverband der Schweizer Frauenorganisationen: Es sei problematisch, wenn Familienauszeiten am Ende niedrigere Löhne bedeuten. «Wir bestrafen damit die Frauen, die die Sorgearbeit zu Hause öfters übernehmen, indem wir ihnen auch noch tiefere Löhne anbieten», sagt Alliance-F-Vorstandsmitglied Christina Bachmann-Roth.