Manchmal gehört Zweckoptimismus zum Geschäft: «Auch der Bundesrat möchte die Fortsetzung des bilateralen Weges – und dazu braucht es das Rahmenabkommen», sagt Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl.
Doch auch sie weiss, dass es die Landesregierung bisher nicht schaffte, sich beim Rahmenabkommen festzulegen. Zu viele heikle Fragen gegenüber der EU – wie etwa solche zum Lohnschutz – sind nicht geklärt.
Kritik von innerhalb des Verbands
Ausserdem gibt es teils scharfe Kritik am Abkommen auch innerhalb von Economiesuisse. So sagte Magdalena Martullo-Blocher unlängst: Je länger sie sich mit dem ausgehandelten Vertragsentwurf befasse, desto mehr «packe sie das Grauen».
Die SVP-Nationalrätin und Chefin von Ems-Chemie sitzt im Vorstand von Economiesuisse. So wie auch Rolf Dörig von Swiss Life, seines Zeichens Präsident des Schweizerischen Versicherungsverbands. Auch Dörig hat wiederholt davor gewarnt, es mit dem Rahmenabkommen zu überstürzen.
Doch offenbar hat man nun die Abweichler in den eigenen Reihen auf Linie gebracht: An der Vorstandssitzung am Montag habe es bei der Position zum Rahmenabkommen keine Gegenstimmen gegeben, beteuert Verbandsdirektorin Rühl.
Gesucht: Geschlossenheit
Das interne Ringen zeigt: Dem Wirtschaftsdachverband fällt es zusehends schwer, geschlossen aufzutreten. Das streitet selbst Direktorin Rühl nicht ab. «Früher gab es weniger Parteien, Verbände, Gruppierungen, Allianzen und Interessengemeinschaften», stellt sie fest. Man müsse mit den neuen Bedingungen allerdings zurechtkommen.
Tatsächlich wurden bis in die 1990er-Jahre die Leitlinien der helvetischen Wirtschaftspolitik innerhalb eines kleinen, bürgerlichen Machtzirkels bestimmt. «Dieser Filz hat dazu geführt, dass die bürgerliche Wirtschaftspolitik sehr stark war und jeweils mit einer Stimme gesprochen hat», beschreibt Politikwissenschaftler Marc Bühlmann von der Universität Bern die damalige Situation.
Doch diese Zeiten, als der Präsident des Wirtschaftsdachverbands noch als «achter Bundesrat» galt, sind vorbei. Nicht zuletzt auch, weil seither die SVP aus dem bürgerlichen Konsens ausschert, vor allem was europapolitische Fragen angeht. Mit der SVP tut das auch so mancher einflussreicher Firmenchef in der Schweiz.
Ja zur Abzocker-Initiative war eine Zäsur
Zudem haben die Wirtschaftskapitäne in der politischen Öffentlichkeit von ihrer einstigen Autorität viel eingebüsst. Je mehr bei führenden Schweizer Konzernen ausländische Manager an die Spitzen kamen, und je kräftiger dabei die Saläre und Boni auf der Chefetage in die Höhe kletterten, desto stärker schwand das öffentliche Ansehen der Wirtschaftselite. Der Missmut gipfelte in der Annahme der Abzocker-Initiative 2013 durch das Stimmvolk.
Damit sei «der Mythos des unbesiegbaren Verbands» beendet worden, sagt Claude Longchamp, Historiker und langjähriger Polit-Beobachter. Vorbei war es auch mit der Stellung von Economiesuisse als der alleinigen Stimme der Schweizer Wirtschaft.
Es sei tatsächlich schwierig zu antizipieren, was der Bundesrat morgen beschliesse, bestätigt Economiesuisse-Direktorin Rühl.
Das macht die Sache spannend, wenn auch etwas unangenehm für Economiesuisse. Doch auf anderen Seite hat der Machtverlust der einst dominierenden Interessenorganisation auch Vorteile: Die Landesregierung kann freier entscheiden als früher.