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Marchionne verlässt Fiat Der Sanierer von Fiat liegt im Spital

Sergio Marchionne zieht sich aus der Autoindustrie zurück. Er liegt in kritischem Zustand in einer Zürcher Klinik.

Sergio Marchionne verlässt die Spitze des Fiat-Chrysler-Konzerns per sofort. Der Manager, der auch in der Schweiz Erfolg hatte, liegt in einem Zürcher Spital. Sein Zustand ist laut übereinstimmenden Medienberichten kritisch. Demnach war es nach einem chirurgischen Eingriff zu schweren Komplikationen gekommen.

Vollbremse vor dem Abgrund

Marchionne hat in seinen 14 Jahren an der Spitze zuerst Fiat und dann Chrysler saniert und wieder profitabel gemacht. Der Italo-Kanadier hat den einst grössten Industriekonzern Italiens aber auch aus Italien herausgeführt und globalisiert.

Bevor Sergio Marchionne das Steuer in die Hände nahm, rollte Fiat auf den Abgrund zu. Der italienische Grosskonzern mit Hauptsitz in Turin schrieb Verluste, seine Fabriken waren veraltet, Fiat zehrte vom Ruhm von gestern und vorgestern. Ein hoffnungsloser Fall – und einer für Sergio Marchionne, der zuvor schon in der Schweiz erfolgreich saniert hatte, etwa bei Alusuisse oder Lonza.

Sergio Marchionne mit Fiat Cinquecento
Legende: Marchionne präsentiert 2007 seinen klügsten Schachzug: den neuen Fiat Cinquecento. Reuters

Aber auch in Turin liess Marchionne nichts anbrennen: Er lancierte den guten, alten Fiat Cinquecento neu als Mittelklassewagen und landete einen Volltreffer. Er investierte in modernste Produktionslinien, kämpfte gegen die Gewerkschaften für flexiblere Arbeitsverträge, stutzte die aufgeblähte Konzernverwaltung zurecht. Bald hatte Fiat wieder Geld in der Kasse.

Erfolgreich fusioniert

Als ab 2008 die Weltwirtschaft in eine tiefe Krise schlitterte, wollte der studierte Philosoph, Jurist und Ökonom Marchionne diese nicht nur überleben, sondern den Konzern mitten in der Krise ganz neu aufstellen: Er fädelte die Fusion mit Chrysler ein. Nur wenige glaubten, dass es Marchionne schaffen würde, aus den beiden angezählten Autokonzernen ein neues, erfolgreiches Unternehmen zu zimmern. Doch genau das schaffte Marchionne. Seit der Fusion 2014 stieg der Wert der Fiat-Chrysler-Aktie um 350 Prozent.

Sergio Marchionne und Barack Obama
Legende: Als Chrysler-Chef war Marchionne auch mit Politgrössen wie dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama in Kontakt. Reuters

Sergio Marchionne brachte auch das Kunststück fertig, von zwei so gegensätzlichen Präsidenten wie Barack Obama und Donald Trump gleichermassen über den grünen Klee gelobt zu werden. Die Renaissance von Fiat Chrysler in den USA und darüber hinaus hat einen Namen: Jeep. Dieser Wagen, die Mutter aller geländegängigen Autos, zieht beim Publikum und zog den ganzen Konzern aus dem Morast.

Kein Freund italienischer Arbeiter

Marchionnes Führungsstil zog aber auch Nachteile für Italien mit sich: Ohne mit der Wimper zu zucken hat Marchionne zusammen mit der Besitzerfamilie Agnelli den Firmensitz von Turin nach Amsterdam verlegt. Für das stolze Turin eine Schmach. Fiat-Chrysler unterhält in Italien zwar noch immer fünf grosse Werke, auch im vernachlässigten Süditalien. Doch nur noch einer von zehn Fiat-Chrysler-Angestellten arbeitet heute in Italien.

Denn Marchionnes Strategie, in den italienischen Fabriken auf die Luxus-Modelle von Maserati und Alfa Romeo zu setzen und diese im grossen Stil neu zu lancieren, hatte wenig Erfolg. Den Luxus-Markt dominieren weiterhin andere. Zudem verschob Marchionne den Bau von billigeren Autos, vorab des Fiat Panda, ins billigere Ausland, zum Beispiel nach Polen. Unter dem Strich heisst das: weniger Jobs in den italienischen Fiat-Werken.

Sergio Marchionne und Mike Manley
Legende: Als enger Verbündeter darf Jeep-Chef Mike Manley in die Fussstapfen Marchionnes treten. Reuters

Trotzdem hat Marchionne Fiat gerettet. Dafür erhält er heute in Italien viel Lob von Politikerinnen und Politikern fast aller Couleur.

Nach Marchionne darf nun Mike Manley ans Steuer. Der Brite ist verantwortlich für das Jeep-Wunder. Er hat diese angestaubte US-Ikone in den letzten Jahren kräftig aufpoliert. Dieser Glanz überstrahlt derzeit fast alles, vor allem aber Fiat.

Sendebezug: Info 3, 22. 07. 18, 17:00 Uhr

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