Ein Uber-Fahrer in Washington D.C. steht sinnbildlich für alle Wenigverdienenden in den USA, die massiv unter den aktuellen Preissteigerungen leiden: Jeden Tag gehe der Benzinpreis wieder etwas rauf, sagt er gegenüber SRF. Das Zweitauto der Familie bleibe in der Garage stehen, um zu sparen. Er bringe seine Frau morgens zur Arbeit, hole sie abends wieder ab, statt dass sie selber fahre.
10 Cent, 15 Cent – jeden Tag geht der Benzinpreis rauf.
Die Mehrkosten für den Treibstoff müssten grösstenteils die Fahrer bezahlen, erklärt der Uber-Fahrer. Lediglich 55 Cent Benzinpreiszuschlag pro Fahrt gibt es bei Uber als Kompensation. Das heisst: Die Benzinpreis-Teuerung – von gut 60 Prozent in den letzten zwölf Monaten – drückt direkt aufs Portemonnaie.
Finanzministerin: Habe Dynamik unterschätzt
Sorgen wegen der galoppierenden Preise – für Treibstoff, Lebensmittel, Kleider – haben viele in den USA. Das zeigen Umfragen. Demnach sind weite Teile der Bevölkerung unzufrieden mit der Regierung. Diese unternehme zu wenig gegen die Teuerung und damit gegen den Kaufkraftverlust der Leute, heisst es.
Der Unmut überschattet sogar die Tatsache, dass Vollbeschäftigung herrscht und dass sich die Konjunktur nach der Coronakrise wieder erholt hat. Tatsächlich ist die Arbeitslosigkeit so niedrig wie vor der Pandemie. Dank der guten Beschäftigungslage steigen die Löhne. Aber die Preise steigen noch stärker.
Sie habe vor einem Jahr die Inflations-Dynamik unterschätzt, gestand dieser Tage Finanzministerin Janet Yellen im Interview mit CNN. Allerdings: Schuld an den gestiegenen Energie- und Nahrungsmittelpreisen sei vor allem Russlands Krieg gegen die Ukraine – zusätzlich zu den pandemiebedingten Lieferengpässen. Und klar sei: Für die Regierung habe der Kampf gegen die Inflation höchste Priorität.
Inflation ist der Fluch unseres Daseins.
Biden muss handeln – aber wie?
Der US-Präsident ist unter Druck: «Inflation ist der Fluch unseres Daseins», meinte Joe Biden in der Late-Night-Show von Jimmy Kimmel. Er wolle deshalb die Lebenshaltungskosten senken, etwa durch Gesetze für günstigere Medikamente. Ob er dafür die nötige Mehrheit im Parlament zusammenbringt, ist aber fraglich. Gewiss ist nur, dass Biden etwas tun muss. Sonst droht ein Desaster für seine Partei in den Kongresswahlen im November.
Gefordert ist zudem die US-Notenbank. Sie wird diesen Sommer die Leitzinsen kräftig erhöhen. Die Idee dahinter: Höhere Zinsen verteuern Kredite. Dies bremst den Konsum, dadurch sollte der Preisdruck nachlassen. Doch diese Geldpolitik ist riskant: Geht die Notenbank zu forsch vor, dann steuert sie die Wirtschaft aus Versehen in einen Abschwung; Arbeitsplätze gehen verloren, schlimmstenfalls folgt eine Rezession. Präsident Biden kann also nur hoffen, dass der Notenbank der Balance-Akt gelingt.
Hoffen auf die «historische Ausnahme»
Das sei schwierig, sagt der Ökonom Larry Summers gegenüber CNN. Die Erfahrung habe gezeigt: Wenn die Inflation so hoch klettere wie derzeit mit weit über vier Prozent und zugleich die Arbeitslosigkeit derart tief sei, dann gebe es meist eine Rezession. Sollte der Notenbank diesmal eine sanfte Landung der Konjunktur gelingen, wäre das die historische Ausnahme, nicht der Regelfall.
Viel steht also auf dem Spiel bei der Bändigung der Inflation. Für die Regierung, die Notenbank und die breite Bevölkerung.