Die Corona-Krise droht Schweizer Spitäler an den Rand ihrer Kapazitäten zu bringen: Die Plätze in Intensivstationen und an Beatmungsgeräten sind beschränkt.
Nun zeigt sich, dass sich auch bei den Medikamenten – genauer bei den starken Schmerzmitteln und den Antibiotika – Engpässe abzeichnen. Schon bald könnten nicht mehr alle Corona-Patienten mit den nötigen Medikamenten versorgt werden.
«Es wird zu Engpässen kommen»
Ihre Vorräte mit solchen Medikamenten haben die Spitäler in den letzten Wochen aufgestockt. Das werde aber nicht reichen, sagt Petra Strub, Präsidentin des Schweizerischen Vereins der Amt- und Spitalapotheker: «Auch wenn es in manchen Spitälern mehr Ware hat, werden wir diese in der Schweiz aufbrauchen und es wird mancherorts zu Engpässen kommen.»
Das Hauptproblem ist, dass wir in der Schweiz diese Produkte nicht herstellen.
Ärztinnen werden also möglicherweise entscheiden müssen, wer überhaupt noch bestimmte Medikamente bekommt und wer nicht. Sie müssen also triagieren, so Strub. «Bei gewissen Patienten müssen wir entscheiden, ob man noch therapieren kann und ob noch Medikamente vorhanden sind oder nicht.»
Letzte Reserven werden angezapft
So weit müsste es eigentlich nicht kommen, denn der Bund hat mit Pflichtlagern von lebenswichtigen Medikamenten vorgesorgt. Nun, in der Krise, muss diese letzte Reserve angezapft werden.
Der Bund werde nächstens das Pflichtlager mit starken Schmerzmitteln, sogenannten Analgetika, und Opiaten freigeben, bestätigt Ueli Haudenschild vom Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung gegenüber Radio SRF. «Starke Analgetika werden im Zusammenhang mit den Corona-Behandlungen mehr benötigt. Dort wird das Pflichtlager gebraucht werden müssen, um die Versorgung sicherzustellen.»
Die Pflichtlager sollten bei den meisten Medikamenten eigentlich für drei Monate reichen – nur befürchtet die oberste Spitalapothekerin: «Die Pflichtlager funktionieren zurzeit nur bedingt.»
Denn bei bestimmten Antibiotika wurden diese letzten Reserven bereits früher und konnten nicht wieder voll aufgefüllt werden. Im Fall der starken Schmerzmittel werde der Verbrauch so gross, dass das Pflichtlager wohl nicht für drei Monate reiche, sagt Strub.
Keine Produkte aus der Schweiz
Warum droht ein Engpass bei Medikamenten – noch bevor die Corona-Epidemie in der Schweiz ihren Höhepunkt erreicht hat – im Land mit einem der besten und teuersten Gesundheitssysteme der Welt? «Das Hauptproblem ist, dass wir in der Schweiz diese Produkte nicht herstellen», so Haudenschild.
Produziert werden viele Wirkstoffe im asiatischen Raum, vor allem in China, das ebenfalls stark betroffen von der Krise ist. Das Problem ist seit Längerem bekannt – auch den Schweizer Pharmafirmen und Importeuren, die im Auftrag des Bundes die Pflichtlager bewirtschaften. Diese Pflichtlagerhalter haben sich in der Genossenschaft Helvecura zusammengeschlossen.
Wir werden prüfen müssen, ob das Pflichtlagersystem überhaupt für Pandemie-Fälle geeignet ist.
Ihr Geschäftsleiter Hans Peter Linder sagt, Helvecura habe sich schon vor Längerem mit einem Brief an den Bund gewandt: «Wir begrüssen es, dass der Schweizer Markt wieder vermehrt mit Produkten aus Wirtschaftsräumen mit stabileren Liefersicherheiten wie Europa versorgt wird.»
Die Corona-Pandemie zeigt, dass der Bund seine Medikamenten-Pflichtlager künftig für eine Pandemie wohl besser rüsten muss. Ueli Haudenschild sagt denn auch: «Wir werden prüfen müssen, ob das Pflichtlagersystem, überhaupt für Pandemie-Fälle geeignet ist.»