Bauer Andi Hufschmid steht auf einem seiner Hanffelder in Nesselnbach im Kanton Aarau. Es ist Erntezeit. 6 Hektaren oder 60'000 Pflanzen müssen in den nächsten drei Wochen geerntet werden. Von Hand schneiden die Erntehelfer die etwa einen halben Meter hohen Pflanzen ab.
Der CBD-Hanf-Markt ist noch jung
Seit 2017 darf in der Schweiz wieder legal Hanf angebaut werden. Allerdings nur solcher mit einem THC-Gehalt unter einem Prozent. THC ist die chemische Substanz, die einen Rausch auslöst.
Deshalb wird hierzulande vor allem sogenannter CBD-Hanf angebaut. CBD ist einer von vielen chemischen Wirkstoffen in der Hanfpflanze. Es soll entkrampfend, entzündungshemmend und angstlösend wirken.
Andi Hufschmid war einer der ersten, die CBD-Hanf anbauten. 2017 fragte ihn ein Hersteller von Tabakersatzprodukten an, ob er für ihn Hanf anbauen möchte. Andi Hufschmid hat es sich lange überlegt, weil die Branche damals noch stigmatisiert war. «Wir kannten die Partner nicht und wussten nicht, ob diese seriös sind. Ausserdem sind die Kosten in der Produktion hoch», so der Familienvater.
Die hohen Kosten in der Produktion entstehen wegen vieler Handarbeit. Für den Hanf sind pro Hektare rund 5000 Arbeitsstunden nötig. Also etwa 25-mal so viel wie bei Kartoffeln, wo nur rund 200 Arbeitsstunden pro Hektare anfallen, so Andi Hufschmid.
Wir wussten nicht, welche Erträge uns erwarten, aber selbst mit tiefen Erträgen war mit einer guten Bezahlung zu rechnen.
Trotzdem hat sich der Bauer für den Anbau von CBD-Hanf entschieden. Ausschlaggebend war auch der finanzielle Anreiz: «Wir wussten nicht, welche Erträge uns erwarten, aber selbst mit tiefen Erträgen war mit einer guten Bezahlung zu rechnen.» Und tatsächlich: Heute verdient der Gemüsebauer Andi Hufschmid mit Hanf ein Vielfaches von jeder noch so aufwendigen Gemüsesorte.
Zum Vergleich: Süsskartoffeln sind auch eine gut bezahlte Sorte. Obwohl Hanf viel aufwendiger ist, macht Andi Hufschmid mit CBD-Hanf immer noch 30 Prozent mehr Gewinn. Und dies sogar jetzt, wo die Preise für Blütenhanf für die Produktion von Tabakersatzprodukten im Keller sind.
Gesättigter Markt und neue Chancen
Inzwischen ist der Markt mit CBD-Produkten gesättigt. Die Goldgräberstimmung, die zu Beginn herrschte, wieder vorbei.
In den ersten Jahren hat sich die gesamte Hanffläche in der Schweiz jeweils von Jahr zu Jahr verdoppelt. Inzwischen wächst sie nicht mehr viel. Einige Bauern mussten wieder aus dem Hanfanbau aussteigen, weil sie ihren Hanf nicht loswurden. Nicht alle hatten einen fixen Abnehmer wie Andi Hufschmid.
Nach wie vor ist der Hanfanbau in der Schweiz über alle Landwirtschaftsprodukte gesehen eine Nische. 2020 wurden in der Schweiz etwas über 290 Hektaren Hanf angebaut. Zum Vergleich: Die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche liegt bei über einer Million Hektaren. Hanf macht also nur einen kleinen Bruchteil aus.
Der Markt mit CBD-Produkten ist zwar gesättigt. Doch nun eröffnen sich möglicherweise neue Märkte. Denn in der Schweiz soll auch Hanf mit einem höheren THC-Gehalt legalisiert werden. Dem stimmte Mitte Oktober nach der zuständigen Kommission im Nationalrat auch das Pendant im Ständerat zu.
Sollte das politisch durchkommen, bietet es auch für Bauern Potenzial. Sie könnten dann wohl noch mehr Hanf auf ihren Feldern anbauen. Welche Möglichkeiten es da gebe, sei aber noch schwer abzuschätzen, heisst es beim Bauernverband. Das müsse man zuerst analysieren.
Forschung an der Zukunft von Cannabis
Die Liberalisierungstendenzen haben dazu geführt, dass Hanf nach und nach wieder gesellschaftlich akzeptiert und nicht mehr stigmatisiert wird. Auch deshalb suchen Hanfproduzenten nach neuen Einsatzmöglichkeiten für die Pflanze.
Eine der führenden Firmen in diesem Gebiet ist die Firma Puregene aus Zeiningen im Kanton Aargau. Angefangen hat die Firma mit Tabakersatzprodukten. Vor drei Jahren hat Geschäftsführer Stevens Senn auch noch ein Unternehmen für die Forschung gegründet.
Im Labor erklärt er, wie das Erbgut von neu gezüchteten Hanfpflanzen analysiert wird. Eine Maschine untersucht winzige Zellen von einzelnen Hanfblättern. «Wir extrahieren aus dieser Blattzelle die DNA», sagt Stevens Senn. So kann herausgefunden werden, bei welchen Jungpflanzen die Züchtung erfolgreich war – welche Pflanze beispielsweise resistent gegen einen Schädling ist.
Um die gewünschten Pflanzen zu züchten, hat die Firma Puregene das Erbgut tausender Pflanzen analysiert. Sie wollten zuerst herausfinden, welche Eigenschaften überhaupt in der Cannabispflanze stecken und vor allem, wo im Erbgut man diese Informationen findet. Also zum Beispiel Resistenzen gegen Schädlinge, den Geschmack, das CBD oder THC.
Jahrelang wurde die Cannabispflanze auf die berauschende Wirkung von THC reduziert und nur dafür gezüchtet. Stevens Senn sieht deshalb noch grosses Potenzial. «In drei bis fünf Jahren mit molekularer Pflanzenzucht wollen wir die Pflanze 50 bis 100 Jahre weiterentwickeln», hofft er.
Den Hanf resistenter gegen Schädlinge machen oder den Ertrag steigern – es gibt sehr viele Möglichkeiten. Mit dem neu gewonnenen Wissen will die Firma im Auftrag von Kundinnen und Kunden Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften züchten.
Milliardenmarkt für Cannabisprodukte
Der potenzielle Markt für Cannabisprodukte ist mehrere Milliarden schwer. Hanf könnte in Zukunft beispielsweise vermehrt als Baustoff für Dämmungen und Leichtbauplatten eingesetzt werden. Der mögliche Baumarkt wird auf 600 Milliarden US-Dollar geschätzt. Der Markt für Kunststoffe auf 500 Milliarden US-Dollar.
Noch grösseres Potenzial gibt es im Markt für Arzneimittel mit 1200 Milliarden US-Dollar. Bis dieses Potenzial ausgeschöpft werden kann – und allenfalls auch die Schweizer Landwirtschaft von neuen Anbaumöglichkeiten profitieren kann – muss allerdings noch viel geforscht und gezüchtet werden.