Die Chefs von Lufthansa und British Airways sind sich einig: Es werde viele Jahre dauern, bis sich die Passagierzahlen erholten. Und die Airlines, wenn sie denn überlebten, müssten schrumpfen, Flugzeuge stilllegen und Personal abbauen.
Trifft die Einschätzung der Branchenleader zu, wird sich die Luftfahrt in Europa dauerhaft verändern – trotz der diversen staatlichen Hilfsprogramme, die alle den lokalen Status Quo sichern wollen. Österreichs Kanzler Kurz will die Interkontinentalflüge in Wien erhalten. Der bayerische Ministerpräsident Söder ficht für dasselbe in München. Der Bundesrat spricht von Garantien bezüglich Arbeitsplätzen und internationalen Flugverbindungen, die er für die Schweiz bei Lufthansa ausgehandelt habe. Fragt sich, wie diese nationalen Sonderwünsche in Summe alle in Erfüllung gehen können.
Lieber Nachlassstundung als Hilfsgelder?
Kein Wunder wehrt sich Lufthansa-Chef Spohr öffentlich gegen staatliche Vorgaben: Es könnten nicht die Regierungen entscheiden, ob der Direktflug nach Osaka in München oder Zürich starte. Um sich den unternehmerischen Spielraum zu sichern, erwägt Lufthansa gar, auf staatliche Gelder zu verzichten, und die Gesellschaft stattdessen in eine Art Konkurs zu schicken. Um dann in diesem Szenario mit einem Nachfolgeunternehmen, befreit von finanziellen Altlasten, einen Neustart zu wagen.
Das alles zeigt: Das Hilfspaket für die Schweizer Luftfahrt steht noch auf wackligen Beinen – auch weil das ganze Zwei-Milliarden-Paket, das auch die flugnahen Betriebe Swissport, Gategroup und SR Technics umfasst, in der Schweiz noch das Parlament passieren muss. Ob dort das vom Bundesrat bemühte Argument mit der Anbindung der Schweiz an den internationalen Luftverkehr über die Parteigrenzen hinweg verfängt, wird sich weisen. Ökologische Bedingungen könnten zum Zankapfel werden.
Genf lebt ohne viele Swiss-Interkontinentalflüge
Diese internationale Anbindung bliebe, so argumentieren manche, aufgrund der kaufkräftigen Klientel in der Schweiz ohnehin erhalten – wenn nicht durch Swiss, dann halt durch andere. Und zudem, das zeigt die Genferseeregion, sind wirtschaftlicher Erfolg und die Präsenz internationaler Grosskonzerne nicht von einer Vielzahl von Swiss-Interkontinentalflügen abhängig. In Genf dominiert nämlich Easyjet mit Europaflügen, was selbst die Weltorganisation Uno nicht zum Wegzug bewogen hat.
Die entscheidende Frage ist wohl: Will die Schweiz, so wie sie ein bedeutender Standort für die Pharma- und die Finanzindustrie ist, auch ein einigermassen bedeutender Standort für die Luftfahrtbranche bleiben? Weil sie Beschäftigung bietet und weil sie vor der Coronakrise aus der Schweiz heraus erfolgreich und profitabel betrieben worden ist.
Der Bundesrat hat erklärt, er wolle jene Unternehmen vor dem Untergang bewahren, die nur wegen der Coronakrise in Schwierigkeiten geraten sind. Das ist bei Swiss der Fall, ihre Rettung durch den Bund wäre daher folgerichtig. Auch wenn sich der Status Quo dadurch wohl nicht erhalten lässt.