Sowohl die UBS-Banker wie auch deren Anwälte haben kaum mit diesem Urteil gerechnet: 3.7 Milliarden Euro muss die Schweizer Bank wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung zahlen. Dagegen hat sie Berufung angekündigt. Auch Wirtschaftsrechtler Peter V. Kunz ist über das Urteil überrascht – die Beweislage sei sehr dünn gewesen.
SRF News: Kann man von einem Kantersieg der Behörden sprechen?
Peter V. Kunz: Absolut. Es hat mich aber auch überrascht, sowohl der Schuldspruch als auch die Höhe der Busse. Das ist doch sehr aussergewöhnlich.
Ein Freispruch wäre für mich weniger überraschend gewesen.
Auch die UBS war offenbar der Meinung, dass sie gewinnen könnte. Hat sie zu hoch gepokert?
In einem Rechtsstaat muss die Staatsanwaltschaft die Schuld nachweisen und nicht die beklagte Seite ihre Unschuld beweisen. Und aufgrund aller Umstände hat mich gedünkt, dass die Beweislage sehr dünn war. Ein Freispruch wäre für mich weniger überraschend gewesen als dieser Schuldspruch.
Immer wieder wurde Schweizer Banken vorgeworfen, sie seien zu schnell eingeknickt, etwa gegenüber den USA. Eine Kritik, die es am heutigen Tag schwer hat?
Ja. Wobei ich froh war, dass die UBS sich nicht verglichen hat, sondern dass in einem rechtsstaatlichen Verfahren die Schuld abgeklärt werden sollte. Ansonsten schienen die Banken doch relativ erpressbar, wenn sie immer nachgaben. Aber heute ist klar: Alle Banken, die sich – ohne Verfahren – auf den Rücken gelegt haben, sind unter dem Strich besser davongekommen.
Neben der Schadenersatzforderung sind fünf ehemalige UBS-Manager zu harten Strafen verurteilt worden.
Das überrascht mich weniger. Der Nachweis eines Verschuldens ist bei einzelnen Personen leichter. Bei der Bank musste man aber nachweisen, dass sie dafür verantwortlich war.
Normalerweise erwischt es strafrechtlich tatsächlich eher die Kleinen als die Grossen.
Es geht nicht, zu sagen: Weil Banker Fehler gemacht haben, haften automatisch die Banken. Hier muss ein weiterer Nachweis erbracht werden. Und ich bin bei der Analyse des Urteils gespannt, inwiefern die Richterin das so gesehen hat.
Raoul Weil, der damalige Leiter der Private Banking-Sparte, kommt ungeschoren davon – gleich wie vor ein paar Jahren in den USA. Wie wahrscheinlich ist es, dass Weil auch hier nicht wusste, was in der Abteilung läuft?
Das ist natürlich schwierig zu sagen. Aber entgegen dem Bauchgefühl ist es so, dass je höher die Leute steigen, desto weniger Verantwortung haben sie. Sie können sich relativ einfach herausreden, indem sie sagen, ihre Untergebenen hätten die Zielvorgaben falsch verstanden. Normalerweise erwischt es strafrechtlich tatsächlich eher die Kleinen als die Grossen. Insofern war dieser Freispruch nicht wirklich überraschend.
Der Fall wird noch nicht ad acta gelegt. Welche Folgen hat das für die UBS, wenn das so dahin schwelt?
Die UBS hat ein echtes Problem, nicht nur aus finanzieller Sicht. Sie hat bewusst einen aggressiven Kurs gefahren mit CEO Sergio Ermotti, der keinen Vergleich wollte. Wenn die UBS das Urteil weiterzieht, kann das noch drei bis fünf Jahre dauern. Und das ist ein Problem nicht nur für die Aktionäre, sondern auch für Kunden, die nicht mit einer kriminell verurteilten Bank zusammenarbeiten wollen.
Alle Banken, die sich auf den Rücken gelegt haben, sind unter dem Strich besser davongekommen.
Es ist sicherlich im Interesse der UBS, dass sie über kurz oder lang reinen Tisch machen kann. Deshalb ist für mich zwar klar, dass sie die Berufung erklären wird, aber ich wäre nicht erstaunt, wenn in den nächsten paar Monaten trotzdem ein Vergleich mit der Staatsanwaltschaft erzielt würde.
Das Gespräch führte Beat Soltermann.