Statt Steuerberaterinnen gehen im einstigen Bürogebäude von Ernst & Young im Berner Monbijou-Quartier neuerdings (Neo)-Singles, Expats, junge Paare oder Studierende ein und aus. 197 möblierte Wohnungen für 400 Personen umfasst der Komplex.
Es ist der jüngste Ableger von Citypop, eines expandierenden Microliving-Anbieters mit Sitz in Zürich. Das Konzept richtet sich an Bewohnerinnen und Bewohner, die für eine Zeitdauer zwischen einem Monat und einem Jahr eine möblierte Bleibe suchen. In Bern ist der jüngste Bewohner 21 Jahre jung, die älteste Bewohnerin ist 70.
Fitnessraum, Gemeinschaftsküche und Mini-Kino sollen Gemeinschaft fördern
Buchung und Bezahlung läuft via App. Eine 40-Quadratmeter-Duplex-Wohnung beispielsweise kostet je nach Mietdauer 1400 Franken inklusive Internet und Nebenkosten. Ein 30-Quadratmeter-Flat für drei Monate gibt es aktuell für 1600 Franken monatlich.
«Der Preis ist zwar etwas höher als bei normalen Wohnungen, dafür sind wir viel flexibler», sagt etwa Denis zur SRF-Reporterin, der kürzlich mit seiner Freundin aus dem Tessin nach Bern gezogen ist.
Die Bewohnerinnen und Bewohner können einen Fitnessraum, Gemeinschaftsküche und sogar ein kleines Kino nutzen. Die Anbieter wollen nicht nur eine Unterkunft, sondern eine neue Wohnform, ein Lebensgefühl von bunt zusammengewürfelten Menschen vermarkten.
Im Gemeinschaftsraum des Citypop-Komplexes sitzt etwa Manuela. Sie arbeitet auf der kolumbianischen Botschaft und ist direkt von Bogota in das Microliving-Apartment gezogen. Manuela ist froh, dass sie sich um nichts kümmern muss – und nicht alleine ist. «Als Expat kann man hier leicht andere Leute kennenlernen», sagt die 31-Jährige.
In Basel entstehen gleich mehrere Mikroapartment-Komplexe
Aus Büros entstehen Mikroapartments. Das ist ein Trend im Immobilienmarkt. Citypop verfügt in der Schweiz Ableger in Zürich, Genf, Lausanne und Lugano. Weitere sollen bald dazukommen - auch im Ausland.
2023 eröffnet der Anbieter Arviv auf dem Stucki-Areal in Basel einen Komplex mit 150 Mikroapartments, Citypop macht aus den früheren Roche-Büros im Gundeli beim Basler Bahnhof ebenfalls Wohnungen auf Zeit. Auch in Köniz entsteht im früheren Swisscom-Gebäude ein Micro-Living-Haus mit 77 Kleinwohnungen.
Pandemie sorgt für Büro-Überschuss
Wohnungen statt Büros: Diese Entwicklung schreitet voran. Denn während in praktisch allen grösseren Schweizer Städten Wohnungsnot herrscht, stehen viele Büros leer. Dies liegt insbesondere an den veränderten Arbeitsgewohnheiten wegen der Pandemie. Ein Drittel aller Büroarbeiten werde im Homeoffice erledigt. «Es erstaunt nicht, dass der eine oder andere Investor daran denkt, seine Büros in Wohnungen umzubauen», sagt Robert Weinert vom Immobilien-Beratungsunternehmen Wüest und Partner zum «Bund».
«Grosse Wohnungen in den Zentren kann fast niemand mehr bezahlen, darum machen kleinere Appartements Sinn», sagt Immobilienexperte Donato Scognamiglio, Professor an der Universität Bern. Aber längst nicht alle Mikroapartments richten sich an Leute mit normalem Budget. «In Zürich gibt es Mikroapartments, wo man für 20 Quadratmeter 2000 Franken zahlt», sagt Scognamiglio weiter.