In einem Alter, in dem viele gerade auf der ersten Stufe ihrer Karriereleiter stehen, übernahm Annemarie Widmer die Leitung des Schweizer Kosmetik-Herstellers Louis Widmer. Sie war 27, als ihr Vater starb. Sie beschreibt Louis-Max Widmer als Macher, als Patron, als Patriarch. Das Unternehmen sei sein Leben gewesen. «Drei Tage vor seinem Tod war er noch in der Firma», sagt die heute 39-Jährige im «ECO Talk».
Gezögert hat sie damals nicht: «Mein Vater hat mir sein Lebenswerk anvertraut, und es war für mich selbstverständlich, dass ich das übernehme.»
Für Florian Eltschinger war die Entscheidung ebenso klar. Er hat vor vier Jahren gemeinsam mit seinem Bruder die Geschäftsführung des Gastronomie-Betriebs Remimag übernommen. «Schon in der Primarschule habe ich viel in der Restauration mitarbeiten dürfen – oder müssen.» Er sagt, es habe ihn immer begeistert, auch wenn er anderes ausprobiert habe.
Sein Vater Peter Eltschinger ist weiterhin Präsident des Unternehmens. «Am Anfang hat er uns an sehr vielen Orten hineingeredet», sagt er, auch in viele Details.
Das Schweizer Fernsehen begleitete die Familie über Monate und zeigte, wie der Vater seine Söhne dominierte – aber auch, wie diese sich wehrten. Entsprechend emotional waren viele Gespräche.
Daran erinnert sich auch noch Annemarie Widmer: «Es ist ein Unterschied, ob man externe Leute am Tisch hat oder den eigenen Vater. Der Ton ist dann emotionaler, das führt dann schon mal zu Ausbrüchen.»
Heute merkt sie selbst, dass Familienunternehmen spezielle Gebilde sind: «Ich nehme jede Kündigung persönlich. Ich nehme alles im Unternehmen persönlich. Es ist extrem und grauenhaft persönlich.»
Florian Eltschinger hat sich externe Hilfe gesucht für den Nachfolge-Prozess und unter anderem gemeinsam mit Bruder und Vater eine Mediation durchführen lassen. An diesem Anlass sagte der Vater noch: «Ich möchte Zeit haben, um abzugeben und loszulassen – damit es auch mir gut geht.»
Man bestimmte gemeinsam ein Datum, an dem der Vater sich zurückziehen solle: 1. Januar 2018. Laut Florian Eltschinger sei das nun Tatsache. Der Vater sei viel auf Reisen.
Örtliche Distanz zu suchen, scheint ein Schritt zu sein, um die Kinder wirklich zum Zuge kommen zu lassen. «Als ich die operative Leitung abgegeben habe, habe ich das Büro am gleichen Tag geräumt und bin gegangen», sagt Willy Michel. Der 71-Jährige hat die Geschäftsführung seines Unternehmens Ypsomed vor vier Jahren an seinen Sohn übergeben.
Gleichwohl: Willy Michel ist weiterhin Verwaltungsratspräsident des Unternehmens und spricht mit seinem Sohn ein Mal pro Woche über das Geschäft. Er gibt zu: «Auch ich bin wohl ein dominanter Unternehmer.»
Und wenn die Dinge nicht nach seinem Gusto laufen, sind die Hierarchien eindeutig. Mit einem Interview, das sein Sohn kurz vor Publikation der Geschäftszahlen gegeben hat, hat dieser ein ungeschriebenes Gesetz des Vaters gebrochen. Dieses lautet: Drei Monate vor den Jahreszahlen gibt es keine Gespräche mit Journalisten. Die Reaktion Willy Michels: «Ich habe ihm ganz klar gesagt: ‹Das passiert in dieser Form nie mehr.›»
Die eine Seite muss loslassen und vertrauen, die andere ihren Weg finden. Rückblickend sagt Annemarie Widmer, sie habe die «wahnsinnig grossen Fussstapfen» ihres Vaters unterschätzt. Es habe lange gedauert, sich das zuzutrauen und an den Punkt zu kommen, dass sie heute ihre eigenen Spuren hinterlassen wolle.
Den eigenen Führungsstil müssen die Nachfolgenden erst finden. Und dann müssen sie ihn durchsetzen, gegen die Mitarbeiter – und gegen die eigenen Eltern.