Die Lebensmittel, die wir tagtäglich konsumieren, haben einen unterschiedlichen, aber oft grossen Einfluss aufs Klima. Das will die Migros für ihre Kundinnen und Kunden nun mit einem Bewertungssystem mit Sternen transparenter machen. «Wir starten mit etwas über 100 Produkten», sagt Marketingchef Matthias Wunderlin. «Über die nächsten zwei Jahre werden wir dann etwa 80 Prozent des Sortiments – darunter alle Eigenmarken – abdecken können.»
Zwei Aspekte der Nachhaltigkeit sollen fürs Erste ausgewiesen werden: das Tierwohl und der CO2-Fussabdruck, also die Klimaemissionen. Die Migros bewertet ihre Produkte nicht selbst. Für beide Aspekte hätten sie verschiedene Faktoren von externen Partnern bestimmen und gewichten lassen, so Wunderlin.
Wir wollen den Kunden das Werkzeug in die Hand geben, dass sie sich informieren können.
Die Labels sollen nun grundsätzliche Punkte offenlegen – etwa, dass Fleisch stärker belastet ist als Gemüse. Oder, dass Transport und Verpackung weniger stark ins Gewicht fallen, wenn die Produkte nicht per Flugzeug transportiert werden. Wunderlin betont: «Wir wollen nicht dogmatisch sein, wollen niemandem etwas verbieten. Aber wir wollen den Kunden das Werkzeug in die Hand geben, dass sie sich informieren können.»
Klima-Experte: ein erster Schritt
Was aber auch bedeutet: Auf den Preis oder die Verfügbarkeit der Produkte haben die Nachhaltigkeits-Labels keinen Einfluss. Klima- und Nachhaltigkeitsforscher Reto Knutti von der ETH begrüsst den Schritt der Migros: «Das ist eine extrem wichtige Sache. Der Ernährungssektor hat einen riesigen Anteil am Treibhausgas-Ausstoss, bis zu 30 Prozent weltweit, wenn man Dünger, Verarbeitung, Transport und Verpackung mit einberechnet. Aber es gibt noch kaum Massnahmen in diesem Bereich.»
Wenn man die Bevölkerung wirklich bewegen will, braucht es einen stärkeren Hebel. Das geht entweder über Minimalstandards, über Verbote oder einen Preisanreiz.
Mit dem Ziel Netto Null bis 2050 für alle Treibhausgase bestehe also Handlungsbedarf bei der Ernährung, sagt Knutti. Doch es dürfe nicht allein bei einer Kennzeichnung bleiben: «Es ist ein erster Schritt. Aber es ist klar: Wenn man die Bevölkerung wirklich bewegen will, braucht es einen stärkeren Hebel. Das geht entweder über Minimalstandards, über Verbote oder einen Preisanreiz.» Also: Klima-Abgaben auf Lebensmitteln ähnlich wie beim Heizöl oder Vergünstigungen von nachhaltigen Produkten.
Skalen auch für Wasserverbrauch, Pestizide, Arbeitsbedingungen
Die Migros plant, in einem nächsten Schritt weitere Faktoren der Nachhaltigkeit auszuweisen, zum Beispiel den Wasserverbrauch, Pestizid-Einsatz oder die Arbeitsbedingungen in den Herkunftsländern. Klimaforscher Knutti ist überzeugt, dass solche Bewertungen deutlich schwieriger zu erstellen sind. Wunderlin von der Migros bestätigt: «Uns ist es sehr wichtig, dass die Bewertung dieser Faktoren auf einer sehr stabilen wissenschaftlichen Basis steht. Entsprechend brauchen wir noch etwas Zeit.»
So hat der Wasserverbrauch in gewissen Ländern massiv grössere Auswirkungen auf die Umwelt als bei uns. Oder bei den Arbeitsbedingungen gilt es nicht nur, Standards zu definieren, sondern diese auch überprüfen zu können.