«Es gibt keine Lohndiskriminierung in unserem Land». So die Botschaft des Präsidenten des Arbeitgeberverbands heute. Er stützt sich auf eine eigens in Auftrag gegebene Studie.
Das Resultat: Knapp zwei Drittel von gut 460 befragten Unternehmen haben keine unerklärbare Lohndifferenz. Beim restlichen Drittel gibt es zwar einen Lohnunterschied zwischen Männer und Frauen, den man nicht mit unterschiedlicher Ausbildung, Berufserfahrung oder Position in der Firma erklären kann – aber: Die Differenz liegt mit 3.3 Prozent im gesetzlich erlaubten Toleranzbereich von maximal 5 Prozent.
Alles kein Problem also? Natürlich nicht, sagen die Gewerkschaften. Die Studie sei nicht objektiv. Es hätten nur Firmen mitgemacht, die gut abschneiden, heisst es etwa beim Gewerkschaftsdachverband Travail Suisse. Der Gewerkschaftsbund rechnet vor, dass eine Lohndifferenz von 3.3 Prozent im Jahr im Mittel 2500 Franken mehr oder weniger Lohn ausmachen.
Umstrittene Toleranzschwelle
Fakt ist, der tolerierte Unterschied von 5 Prozent ist umstritten. Er wurde eingeführt, weil das Analyse-Modell für Hunderte völlig unterschiedlicher Firmen gilt und der Bund so verhindern will, dass Unternehmen fälschlicherweise Lohndiskriminierung vorgeworfen wird.
Eine Toleranz sei nicht akzeptabel, wenn es um gleichen Lohn für gleiche Arbeit gehe, heisst es auf Arbeitnehmerseite. Sogar dem Bundesrat sind die 5 Prozent als Toleranzwert offenbar inzwischen zu hoch. Er prüft, ob er die Toleranzschwelle senken soll, um die Bemühungen für Lohngleichheit in der Schweiz zu stärken.
Und um diese steht es – je nach Betrachtungsweise – nämlich nicht so rosig, wie die neusten Daten des Arbeitgeberverbandes glauben machen. Denn: Seine 3.3 Prozent unerklärte Lohndifferenz beziehen sich nur auf die Löhne innerhalb eines einzelnen Betriebes mit mehr als 100 Mitarbeitenden. Verlässt man diese Unternehmensoptik und schaut auf den gesamten Arbeitsmarkt, zeigt sich ein anderes Bild: 8 Prozent beträgt die unerklärte Differenz bei den Löhnen von Arbeitnehmenden mit ähnlichen Positionen, Ausbildungen und Erfahrungen über alle Unternehmen in der Schweiz hinweg. So die neusten Zahlen der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik.
Trotz allem besteht Handlungsbedarf
Im Wesentlichen gibt es zwei Gründe für den Unterschied:
- Die Unternehmensgrösse spielt eine Rolle. Die nationale Statistik bezieht alle Unternehmen ab drei Mitarbeitenden ein und zeigt: Die Lohndifferenz in kleinen Betrieben ist deutlich grösser als in Firmen mit mehr Mitarbeitenden.
- Hochlohnbranchen wie die Finanzbranche oder die IT sind nach wie vor in Männerhand. In der Finanzbranche beträgt der Frauenanteil nur 43 Prozent, in der IT sind es sogar nur 23 Prozent.
Handlungsbedarf besteht also allemal. Angefangen bei einer faktenbasierteren Diskussion um die Zahlen. Die Polemik um Zahlen lenkt nämlich von der eigentlichen Aufgabe ab: für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen.