Es geht um Frauen wie Alma Kaiser. Seit 18 Jahren arbeitet sie in einer Kindertagesstätte in Bern. Sie hat in diesem Beruf eine Ausbildung gemacht, heute ist sie Gruppenleiterin, Standortleiterin und sie ist auch für die Berufsbildung der Lernenden verantwortlich. Ihr Bruttolohn bei 100 Prozent beträgt 5900 Franken im Monat. «Verglichen mit den Lehrpersonen in der Unterstufe sind wir deutlich unterbezahlt für die grosse Verantwortung, die wir tragen», sagt Kaiser. «Das ist manchmal auch ein bisschen frustrierend».
Die Betreuung von kleinen Kindern ist eine Branche, in der vorwiegend Frauen arbeiten. Dasselbe gilt zum Beispiel auch für die Gastronomie, den Detailhandel oder das Coiffeurgeschäft. Und was diese Branchen ausserdem verbindet sind die tiefen Löhne, die trotz Ausbildung, trotz viel Verantwortung und trotz Erfahrung gezahlt werden.
Es ist nicht individuelle Sache des Berufes – es gibt eine strukturelle Ungleichheit.
Das zeigt eine Analyse des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), die auf den Zahlen des Bundesamtes für Statistik basiert. Die Stundenlöhne in Berufen, in denen grossmehrheitlich Frauen arbeiten, seien markant tiefer als in Männerbranchen. Vania Alleva, Vizepräsidentin des SGB und Präsidentin der Gewerkschaft Unia, sagt. «Je höher der Frauenanteil in einer Branche ist, desto tiefer sind die Löhne der Gelernten. Das zeigt deutlich, dass es nicht eine individuelle Sache des Berufes ist – es gibt ein strukturelle Ungleichheit.»
Aufwertung der «Frauenberufe»
Frauen würden in diesen Branchen systematisch diskriminiert, so Alleva. Das müsse aufhören: «Unsere zentrale Forderung ist: Es braucht eine Aufwertung der sogenannten Frauenberufe.» Konkret fordert der Gewerkschaftsbund höhere Gehälter und einen 13. Monatslohn für alle.
Beim Schweizerischen Arbeitgeberverband sieht man die Analyse des Gewerkschaftsbundes allerdings skeptisch. Daniella Lützelschwab, Leiterin des Ressorts Abrbeitsmarkt beim Arbeitgeberverband sagt, das Lohnniveau in einer Branche hänge nicht davon ab, ob viele Frauen in dieser Branche arbeiten würden. «Es hängt von der Wertschöpfung ab, die sie in dieser Branche erzielen oder auch der Marge, die sie erreichen. Daraus abgeleitet werden dann die Löhne festgelegt. Das gilt für Frauen wie auch für Männer.»
Veto vom Arbeitgeberverband
Auch die Forderung des Gewerkschaftsbundes nach mehr Lohn lehnt der Arbeitgeberverband ab. Es sei wichtig, die Löhne so festzulegen, dass die Unternehmen diese auch ausrichten könnten, sagt Lützelschwab. «Wenn sie Löhne einfach erhöhen, führt das dazu, dass sie auch die Kosten für diese Dienstleistungen und Produkte erhöhen. Die Unternehmen müssen sich dann überlegen, ob sie mit solchen Löhnen überhaupt noch konkurrenzfähig arbeiten können.»
Zurück zu Alma Kaiser, der Standortleiterin einer Berner Kindertagesstätte. Sie wünscht sich, dass sich in der Kinderbetreuung punkto Lohn etwas tut. Und zwar nicht nur um ihrer selbst willen, sondern vor allem wegen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: «Die ausgebildeten Personen würden dann länger bei der Kindertagesstätte bleiben, weil sie die Wertschätzung erhalten, die sie verdienen.» Heute sei die Zahl der Berufsaussteigerinnen in der Kinderbetreuung nämlich sehr hoch – zu hoch.