An der Zinssitzung der Schweizerischen Nationalbank vergangene Woche wirkt Vizepräsident Martin Schlegel entspannt. Bei Fragen der Medienschar an SNB-Präsident Thomas Jordan rund um dessen anstehenden Rücktritt lächelt Schlegel verschmitzt. Weiss oder ahnt er schon, dass er bald in die Fussstapfen seines Mentors treten darf? Oder ist auch er im Ungewissen und setzt gezielt das für Notenbanker übliche Pokerface auf?
Man weiss es nicht genau. Aber dass er am Mittwoch, sechs Tage später, nun offiziell vom Vizepräsidenten zum Präsidenten der wichtigsten Institution für die Schweizer Währung und Wirtschaft befördert wird, dürfte wohl auch ihn nicht überraschen. Die Wahl von Martin Schlegel offenbart, was Bundesrat und Bankrat von der Arbeit der Nationalbank halten: viel.
Diese Wahl steht für Kontinuität
Sie hat es geschafft, in schwierigen Zeiten mit CS-Untergang, Krieg und Covid-Krise die Preise in der Schweiz stabil zu halten und grösseren Schaden von der hiesigen Wirtschaft abzuwenden. Dafür wird sie nicht nur im Ausland, sondern auch im Inland bewundert. Warum hätte jemand von ausserhalb der SNB das Präsidium übernehmen sollen, wenn es doch so gut läuft?
Eine interne Lösung stehe für Stabilität und Kontinuität, sagt denn auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Über 20 seiner 47 Lebensjahre verbrachte Martin Schlegel bei der Nationalbank. Er hatte Einblick in alle Departemente, kennt den «Laden» und die Menschen also bestens.
Dass sich von allen SNB-Internen nun Vizepräsident Martin Schlegel durchgesetzt hat, ist nicht nur aus hierarchischen Gründen logisch. Noch viel wichtiger sind dessen Erfahrungen in Sachen Krisen-Management. Jetzt, da die Gefahr rund um die CS gebannt und die Inflation wieder unter Kontrolle ist, scheint wieder etwas Ruhe in die SNB eingekehrt zu sein. Doch angesichts der politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten in Europa droht schon bald wieder Ungemach: ein starker Franken.
Das Mandat lautet Preisstabilität
Auch wenn sich die Karrieren von Martin Schlegel und Thomas Jordan ähneln, so ist Schlegels rasanter Aufstieg, insbesondere auf den letzten Metern, beachtlich. Nach gerade mal zwei Jahren im SNB-Direktorium steigt er nun auf den Thron und soll weiterhin für Stabilität und Kontinuität sorgen.
Es ist einer der härtesten und prestigeträchtigsten Jobs in der Schweizer Wirtschaft und doch sieht sich Schlegel nicht als alleinherrschender König: «Die Nationalbank ist nicht eine Person. Da sind 1000 Mitarbeitende, da ist ein Direktorium. Alle sind engagiert und werden sich einsetzen, unser Mandat weiterhin zu erfüllen.» Und dieses Mandat lautet Preisstabilität – in guten und in schlechten Zeiten, mit oder ohne Pokerface.