Darum geht es: Japan hat heute neue Visaregeln in Kraft gesetzt. Die drittgrösste Weltwirtschaft will damit der überalterten Gesellschaft entgegenwirken und mehrere Hunderttausend Gastarbeiter ins Land holen. «Der Druck ist sehr gross in Japan», sagt der Journalist Martin Fritz. Die Arbeitslosenquote beträgt 2.3 Prozent. Auf 100 Bewerber kommen 163 Stellenangebote, viele Stellen können nicht besetzt werden. «Viele Unternehmen verringern ihre Öffnungszeiten und geben ihre Expansionspläne auf.»
So funktionieren die Visa: Ein Visum ist vorgesehen für ungelernte Arbeitskräfte: Diese dürfen maximal fünf Jahre in Japan bleiben und auch keine Angehörigen mitbringen. Bei Facharbeitern gilt eine Dauer von zehn Jahren Aufenthalt und sie dürfen ihre Familie mitnehmen. Das Fachkräfte-Visa soll vor allem Arbeitskräfte aus Vietnam, Indonesien, Nepal, China und anderen asiatischen Ländern anlocken. «Sie müssen aber rudimentäre Sprachkenntnisse nachweisen, bevor sie nach Japan kommen», so Fritz. In den nächsten fünf Jahren werden 340'000 Ausländer erwartet.
Tradition des Unter-Sich-Bleibens: Japan ist stolz auf seine gesellschaftliche Homogenität. «Premierminister Shinzo Abe hat immer so getan, als ob es gar nicht notwendig sei, Ausländer als Arbeitskräfte einzustellen», so der Journalist. Bisher galt die Politik: Mehr Frauen beschäftigen und Rentner überreden, wieder arbeiten zu gehen. «Das hat auch relativ gut funktioniert. Aber diese Reservoirs sind inzwischen weitgehend erschöpft.» Mit der lange gepflegten Politik des Monokulturalismus muss die Regierung jetzt brechen. «Damit das nicht zu offensichtlich wird, vermeidet sie das Wort Migrant.»
Premierminister ist kein Ausländerfreund: «Abe ist ein konservativer Nationalist. Einige Leute sagen gar, er hasse Ausländer.» Obwohl kein Freund von Migration und Multikulturalismus, hat er mit dem neuen Visumsystem dem Druck der Wirtschaft nachgegeben, so Fritz.
Begeisterung über Einwanderer ist nicht gross: «Das zeigen Umfragen. Es ist für die meisten Japaner eine Überraschung.» Allerdings sei auch eine Einsicht in die Notwendigkeit der Massnahme da, so Fritz: Jeder, der selbst erwerbstätig sei merke, dass sich neue Stellen kaum besetzen liessen. Aber auch da gibt es Generationenunterschiede: Die Älteren seien besonders skeptisch und wollten unter sich bleiben, erzählt der in Tokio wohnende Journalist. «Die Jüngeren sind jedoch viel weltoffener. Zwei Drittel sind laut Umfrage für die neue Visapolitik.»