Auffällig oft hat es der EZB-Chef an der Medienkonferenz heute wiederholt, dass ihm die niedrige Inflation missfällt. Anders gesagt: Das geringe Tempo, mit dem die Preise für Güter und Dienstleistungen in der Euro-Zone nach oben klettern, ist besorgniserregend. Denn es zeigt an, dass der Wirtschaft der nötige Schwung fehlt. So betrug im Juni die Jahresteuerung lediglich 1.3 Prozent. Das Ziel der EZB liegt bei knapp 2 Prozent.
Warten auf den Herbst
Eine nächste, stimulierende Geldspritze der Notenbank dürfte deshalb schon im Herbst angesagt sein. Die EZB könnte dazu die Leitzinsen von gegenwärtig null Prozent auf unter null senken. Oder sie könnte auf eines ihrer anderen Instrumente zurückgreifen, etwa erneut für Milliarden von Euro Wertschriften am Obligationenmarkt kaufen.
Solche geldpolitischen Lockerungsmassnahmen schwächen die Gemeinschaftswährung Euro im Vergleich zu anderen Währungen wie Dollar und Franken – zumindest tendenziell. Und dies bedeutet, dass der Handlungsdruck auf die Schweizerische Nationalbank zunimmt.
Nationalbank unter Zugzwang
In der Schweiz müssen sich die Währungshüter nun Folgendes überlegen: Wollen sie einen noch schwächeren Euro-Kurs zum Franken in Kauf nehmen und damit das Geschäft der Schweizer Exportindustrie erschweren? Oder wollen sie den Franken schwächen? Dann müssten sie für weitere Milliarden fremde Währungen – wie Euro und Dollar – aufkaufen. Vielleicht sieht sich Nationalbank-Chef Thomas Jordan im Herbst sogar gezwungen, die Zinsen noch weiter in den Negativ-Bereich herabzusenken, um auf die nächsten Schritte der EZB zu reagieren.
Auf jeden Fall geht in der Notenbank-Politik das gängige Spiel weiter: Die grosse EZB gibt mit ihren Ankündigungen – und allfälligen Taten – den Ton an. Die kleine Nationalbank muss dann jeweils eine angemessene Antwort auf diese Vorgaben finden.
Das ist keine angenehme Ausgangslage – weder für die Nationalbank, noch für die Schweizer Wirtschaft.