Die Namen sind hierzulande kaum bekannt. Doch es sind Milliardenkonzerne, die an die Schweizer Börse wollen: Sany, ein Baumaschinenhersteller, wird mit 22 Milliarden Dollar bewertet. Auch die beiden Batteriehersteller Ningbo Shanshan und Gotion und der Medizinprodukte-Hersteller Lepu sind milliardenschwer.
Sie sollen also neben den Börsen von Schanghai und Shenzhen auch an der Schweizer Börse gehandelt werden. Dieser Schritt folgt nicht einer Marktlogik, sondern dem politischen Willen Chinas. Das sagt Jacob Gunter, der beim Mercator Institut für Chinastudien die chinesisch-europäischen Wirtschaftsbeziehungen erforscht. «Wichtig ist, zu verstehen, dass chinesische Unternehmen nicht einfach den Kräften des freien Marktes folgen. Die Kommunistischen Partei und die Regierung beeinflussen ihre Geschäftsentscheide stark.»
Die Börsengänge seien Teil eines politischen Plans. «Wenn ich höre, dass mehrere chinesische Firmen an die Schweizer Börse gehen, so tönt das für mich nach einem Pilotprojekt der chinesischen Regierung», so Gunter. Das Ganze passe in einen grösseren Trend. «Nämlich Chinas Suche nach neuen Zugängen zu internationalem Kapital – ausserhalb der USA und der EU.»
Die Beziehungen China-EU und China-USA sind angespannt. Insbesondere im Finanzbereich. US-Behörden drohen dutzenden chinesischen Firmen, sie von den dortigen Börsen zu verbannen.
Grosse Börsen buhlen um chinesische Firmen
Bei der Schweizer Börse SIX sieht man das Interesse der chinesischen Unternehmen vor allem als Erfolg der eigenen Marketing-Bemühungen. Bereits vor Jahren wurde ein erstes entsprechendes Absichtspapier mit den chinesischen Börsen unterschrieben, gefolgt von Werbeveranstaltungen vor Ort, wie Mediensprecher Jürg Schneider sagt.
«Wir haben sehr intensiv mit den chinesischen Börsen von Shenzhen und Schanghai zusammengearbeitet.» So habe man etwa gemeinsame Workshops durchgeführt, um den chinesischen Teilnehmenden die Vorzüge der Schweizer Börse aufzuzeigen. «Das ist sicher ein Grund, warum sie sich jetzt allenfalls für die Schweiz entscheiden werden.»
Aber: Nicht nur die Schweizer Börse, auch die Frankfurter und Londoner Börse haben vor Ort um chinesische Unternehmen gebuhlt. Dass die Schweizer Börse nun politisch gewollt den Vorzug erhält, dazu will sich die SIX nicht äussern. «Eine Antwort zu dieser Frage wäre rein spekulativ», sagt Schneider. «Wir können nur für uns sprechen und sagen: Wir haben seit der Unterzeichnung des Memorandum of Understanding sehr gut mit den chinesischen Behörden zusammengearbeitet und pflegen eine sehr offene und transparente Beziehung.»
Schweizer Finanzdepartement involviert
Die chinesischen Behörden sind entscheidend: Sie müssen jeden Börsengang von chinesischen Firmen im Ausland absegnen. Aber nicht nur die chinesische, auch die Schweizer Politik hatte die Finger im Spiel bei den geplanten Börsengängen. Bevor die SIX auf Werbetour in China ging, diente das Schweizer Finanzdepartement als Türöffner.
Auf einer Reise nach China im April 2019 hatte der damalige Bundespräsident und Finanzminister Ueli Maurer die Schweizer Börse SIX mitgenommen. Bei diesem Besuch wurden im Beisein Maurers die entsprechenden Grundlagenpapiere erneuert, unterzeichnet und damit der Weg für chinesische Firmen an die Schweizer Börse geebnet. Bis im Herbst sollen ihre Aktienkurse auf den hiesigen Börsentickern erscheinen.