Am Sonntag läuft die Börsenäquivalenz mit der EU aus. Das bedeutet, ab Montagmorgen können Aktien von Schweizer Unternehmen nicht mehr in der EU gehandelt werden. Als Reaktion setzt die Schweiz ihren «Plan B» in Kraft. Hans-Peter Portmann erklärt, wieso der Bundesrat keine andere Wahl hatte.
SRF News: Am Montag soll ein «Plan B» in Kraft treten. Ist das eine Eskalation?
Hans-Peter Portmann: Das klingt tatsächlich nach einer Eskalation. Die Schweiz muss jetzt einen Schutzschirm aufziehen. Ansonsten werden, wenn die Börsenäquivalenz nicht mehr gilt und es keinen «Plan B» gibt, vor allem Schweizer Aktien darunter leiden. Das heisst, Finanzintermediäre aus dem EU-Raum dürfen keine Schweizer Titel, die an der Schweizer Börse notiert sind, handeln. Dazu braucht es den «Plan B». Aber der führt nun dazu, dass auch die Schweiz ein entsprechendes Verbot gegenüber der EU ausspricht.
Was bedeutet dieser «Plan B» für den Finanzplatz Schweiz?
Der «Plan B» heisst, dass Schweizer und auch europäische Intermediäre auf europäischen Bankenplätzen keine Schweizer Aktien mehr kaufen und verkaufen dürfen. Das ist die Gegenmassnahme des Bundesrates. Er stützt sich dabei auf einen Zusatzartikel in der EU-Verordnung. Dieser besagt, dass Händler, wenn keine Börsenäquivalenz erteilt wurde und bestimmte Aktien sonst nirgends gehandelt werden dürfen, diese ausnahmsweise trotzdem dort gehandelt werden dürfen, wo keine Äquivalenz besteht. Genau das versucht das Verbot zu bewirken, um die Massnahme zu umgehen.
Kurzfristig könnte das der Schweizer Börse sogar ein erhöhtes Handelsvolumen bringen, weil die Händler Schweizer Wertpapiere dann in der Schweiz handeln müssen. Sehen Sie das auch so?
Das ist tatsächlich so. Kurzfristig kann das mehr Volumen geben. Nehmen wir als Beispiel Papiere einer grossen Firma wie Roche, die auch in Frankfurt gehandelt werden. Wenn nun dieses Volumen zusätzlich an die Schweizer Börse kommt, dann kommt es hier zu einem höheren Handelsvolumen.
Es könnte passieren, dass viele sich sagen, für Neuinvestitionen fasse ich lieber im Moment keine Schweizer Titel mehr an.
Nur: Längerfristig könnte auch das Gegenteil passieren. Viele werden sich sagen, die Schweiz und die EU haben gegeneinander Verbote ausgesprochen. Niemand in der Finanzbranche möchte Rechtsunsicherheit oder will Verbote umgehen, die einem dann zur Last gelegt werden. Deshalb könnte es passieren, dass viele sich sagen, für Neuinvestitionen fasse ich lieber im Moment keine Schweizer Titel mehr an. Dann würden sogar die Aktienkurse der Schweizer darunter leiden.
Hätte es denn eine andere Möglichkeit gegeben, auf diese Aufhebung der Börsenäquivalenz zu reagieren?
Nein, direkt hätte es eigentlich keine andere Möglichkeit gegeben. Hätte man es einfach zugelassen, hätte man damit der Schweizer Börse einen grossen Schaden zugefügt, denn dann hätte dieses Verbot dazu geführt, dass sehr viel Handelsaktivität verloren gegangen wäre. Das sind ja auch viele Steuereinnahmen. Und das sind auch Arbeitsplätze.
Ohne Rahmenabkommen wird die EU auch die Äquivalenz bei den Medizinalprodukten nicht verlängern.
Trotzdem muss man sagen: Das wird von der EU wohl nicht die letzte Massnahme gewesen sein. Nächstes Jahr stehen zu anderen Themen Verlängerungen von Äquivalenzen an. Und ohne Rahmenabkommen wird die EU auch diese – zum Beispiel bei den Medizinalprodukten – nicht verlängern. Dann wäre der Schaden sehr gross, volkswirtschaftlich und für die Industrie.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.