«Niemals werden wir deine Arbeit danach bewerten, wer du bist oder wen du liebst.» Dieses Versprechen haben zahlreiche internationale Grosskonzerne in einem Inserat in Schweizer Zeitungen abgegeben. Christian Fichter, Wirtschaftspsychologe an der Fachhochschule Kaleidos, sieht solche Aktionen kritisch: «Generell ist an diesen Werten nichts falsch. Aber man muss es zumindest hinterfragen, wenn Firmen solche Werte nutzen, um damit ihre Reputation und ihr Image aufzupolieren.»
In die Gefahrenzone gehen
Fichter stört vor allem Folgendes: «Man macht es sich einfach, wenn man heute sagt, wir sind für Vielfalt, das ist breit akzeptiert. Viel besser wäre es, wenn diese Unternehmen dort hinstehen würden, wo es um die Vielfalt schlechter bestellt ist. Dort, wo homosexuelle Personen – als Beispiel – verhaftet, gefoltert oder getötet werden. Dort müsste man für die Rechte von LGBTI hin stehen.»
Fichter stellt aber auch infrage, ob Multis sich überhaupt öffentlich zu gesellschaftlich anerkannten Werten bekennen sollen: «Gesellschaftlich geteilte Werte sind gut und recht. Aber sie sollen von der Gesellschaft geteilt und hochgehalten werden oder eben von Einrichtungen, deren Aufgabe es ist, für solche Werte zu kämpfen, zum Beispiel Amnesty oder Greenpeace.»
Firmenintern Toleranz leben
Konzerne hingegen sollten sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren: Da seien sie glaubwürdig. Und intern sollten sie ihre Angestellten schützen, etwa vor Mobbing, und dort solche Werte hochhalten, findet Fichter, ohne öffentlich orchestrierte PR.
Grosskonzerne wie Banken oder Industrieunternehmen verteidigen auf Anfrage ihre Regenbogenoffensive. So schreibt etwa die CS: Vielfalt, Inklusion und Chancengleichheit umfasse viele Dimensionen. Während des «Pride»-Monats Juni stünden die Anliegen der Angestellten der LGBTI-Bewegung im Vordergrund.
Mehrere Konzerne haben tatsächlich seit Jahren in diesem Bereich interne Netzwerke etabliert, mitsamt Veranstaltungen und Sensibilisierungskampagnen. Da tue sich in der Schweiz einiges, sagt Beat Steinmann. Er leitet die Kontaktstelle des Schweizer LGBTI-Labels, stellt Unternehmen also ein «Gütesiegel» aus, wenn sie sich besonders für Anliegen der Regenbogen-Bewegung einsetzen.
So kann er hinter die Konzernfassaden schauen: «Es gibt ein Unternehmen, das in seinem Reglement verankert hat, dass die Teilnahme an einer ‹Pride› als Arbeitszeit gilt.» Wenn man wisse, wie im Obligationenrecht die Freitage geregelt seien, sei dies ein grosser Schritt.
Von Mitarbeitenden initiiert
In die Gänge gekommen seien solche Neuerungen vor allem aus eigenen Stücken, so Steinmann: «Die Unternehmen haben das sehr oft erkannt und aus eigenem Antrieb gemacht. Oder es wurde von den Mitarbeitenden intern angestossen. Es gibt interne Organisationen, ‹Pride at UBS› zum Beispiel, die auch entsprechend Druck ausgeübt haben.»
Steinmann nimmt für sein LGBTI-Label in Anspruch, Taten statt Worte zu messen. «Für die Unternehmen, die das Label von uns haben, für die legen wir die Hand ins Feuer, dass es nichts mit Pinkwashing zu tun hat.»
Gute Taten ins Rampenlicht zu stellen, könnte Schule machen; etwa, wenn Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt um Fachkräfte buhlen und sich dabei möglichst modern und weltoffen zeigen möchten. Echtes Engagement ist Knochenarbeit, blosse PR geht hingegen leicht von der Hand.