Beim heutigen EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn wollte der Austragungsort München ein Zeichen gegen Homophobie setzen: Das Stadion sollte in Regenbogenfarben erstrahlen. Der europäische Fussballverband Uefa schob dem aber einen Riegel. Ein politisches Statement – hier konkret gegen einen Entscheid des ungarischen Parlaments (siehe Box) – lasse man nicht zu. Gemäss Sportsoziologe Gunter Gebauer steckt mehr dahinter: Die Uefa habe Probleme mit ihren konservativen Mitgliedern.
SRF News: Was ist der Grund, weshalb die Uefa die Stadionbeleuchtung in Regenbogenfarbe nicht zulässt?
Gunter Gebauer: Der Hauptgrund liegt wahrscheinlich darin, dass die Uefa spezielle Beziehungen zu Ungarn aufrechterhält. Dies insbesondere über den Präsidenten der Uefa, Aleksander Ceferin, und den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Orban stellt das Budapester Stadion zu einem Vorzugspreis zur Verfügung und lässt ausserdem 60'000 Zuschauer hinein, was in anderen Ländern der EU nicht üblich ist und der Uefa ganz besonders hohe Einnahmen beschert.
Die Uefa schreibt sich «Equal Game» auf die Fahne, also gleiche Rechte für alle. Kann man diese Parole angesichts des Entscheids ernst nehmen?
Ich finde, man kann sie tatsächlich nicht ernst nehmen. Denn «Equal Game» bedeutet, dass auch die Rechte von Schwulen und Lesben und so weiter gewährleistet werden. Gleichzeitig behauptet die Uefa, wenn man das reklamiert, es handle sich um eine politische Stellungnahme.
Wenn man nicht frei ist als Mensch, kann man auch nicht wirklich Sport treiben.
Das ist zweifellos eine politische Stellungnahme, aber nicht so, wie die Uefa es meint. Es ist keine politische Werbung für eine Partei oder für irgendeine absonderliche Idee, sondern das gehört zur Menschenrechtspolitik: den Menschen, die sich am Sport beteiligen, einen bestimmten Freiheitsstatus zuzusichern. Und das ist auch notwendig im Sport. Denn wenn man nicht frei ist als Mensch, kann man auch nicht wirklich Sport treiben.
Woran liegt es, dass die grossen Verbände sich damit so schwertun?
Sie haben Probleme mit ihren konservativen Mitgliedern. Das betrifft nicht alle Mitglieder und nicht alle Fussballfans. Aber es gibt eine starke Fraktion beim Fussball, die sehr konservativ denkt, die sehr grosse Vorbehalte gegenüber Schwulen und Lesben hat. Das merkt man in Deutschland zum Beispiel an den hohnlachenden Kommentaren, die abgegeben werden, wenn zwei Frauen ein Fussballspiel kommentieren. Die Mentalität ist latent schwulenfeindlich. Man kann es auch daran erkennen, dass sich von den namhaften Fussballspielern in Deutschland nur ein einziger geoutet hat.
Sie sind nicht sehr zuversichtlich, dass sich in nächster Zeit viel ändert?
Nein, ich bin nicht sehr optimistisch, denn die Spieler auf dem Feld sind zu angreifbar. Sie stehen da in ihren kurzen Hosen und um sie herum toben möglicherweise 60'000 Fans und pfeifen sie aus oder haben die üblichen Schimpfworte drauf, die sie dann den Spielern entgegenwerfen. Genauso wie die Rassisten, die mit Affenlauten schwarze Spieler empfangen und so weiter.
Das ändert immer noch nichts an der Haltung der Zuschauer.
Das ist ja nicht verschwunden aus den Arenen. Es scheint irgendwie zum Volksgut bestimmter Kreise zu gehören, die meinen, im Fussball kann man sich noch so konservativ männlich austoben. Das muss man leider so deutlich sagen. Die Fussballverbände tun zwar gelegentlich etwas dagegen, indem sie gute Werbespots einblenden. Aber das ändert immer noch nichts an der Haltung der Zuschauer, die immer noch irgendwo in ihrer Stadionecke stehen und pfeifen und randalieren und ihr dummes Zeug erzählen.
Das Gespräch führte Mario Torriani.