Worum geht es : Der Genfer Rohstoffhändler Trafigura muss sich vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona verantworten – wegen Korruption. Hochrangige Mitarbeiter und Mittelsmänner des Konzerns sollen zwischen 2009 und 2011 knapp fünf Millionen Franken Schmiergeld an einen angolanischen Amtsträger bezahlt haben, um im Ölgeschäft Angolas Fuss fassen zu können. Am 2. Dezember beginnt der Prozess. Das geforderte Strafmass will die Bundesanwaltschaft an der Verhandlung bekannt geben.
Die Angeklagten: Die Bundesanwaltschaft hat einerseits Anklage gegen Trafigura Beheer BV (TBBV), die frühere Muttergesellschaft der Trafigura-Gruppe, erhoben. Das Unternehmen soll zu wenig getan haben, um Korruption durch Mitarbeiter zu verhindern. Darüber hinaus wirft die Anklage drei Personen Bestechung vor: erstens dem angolanischen Manager und Staatsangestellten, der Geld und weitere «ungebührende Vorteile» von Trafigura angenommen haben soll. Der zweite Angeklagte, ein ehemaliger Mitarbeiter von Trafigura, soll als Mittelsmann Zahlungen an den Angolaner abgewickelt haben. Der dritte Beschuldigte heisst Michael Wainwright, bis im Frühling 2024 noch Chef des operativen Geschäfts von Trafigura. Wainwright weist die Bestechungsvorwürfe an ihn zurück und wird sich vor Gericht verteidigen.
Die Vorwürfe im Detail: Es geht um fast fünf Millionen Franken - mit so viel Geld soll Trafigura über Mittelsmänner den angolanischen Staatsangestellten geschmiert haben. Als Gegenleistung, so die Anklage, habe der Angolaner Trafigura bei Geschäften in seiner Heimat begünstigt. Zwischen 2009 und 2010 sollen so insgesamt neun Verträge zwischen Trafigura und der staatlichen Ölfirma zustande gekommen sein, es sei dabei um die Charterung und Bunkerung von Öltankern gegangen. Bis zum heutigen Tag hat Trafigura gemäss Anklage mit diesem Geschäft Gewinne in Höhe von über 140 Millionen Dollar erzielt.
Warum der Prozess aussergewöhnlich ist: Zum ersten Mal steht einer der grossen Rohstoffkonzerne der Schweiz wegen Korruption vor einem Bundesgericht, und zum ersten Mal geht es dabei auch um dessen Spitzenmanager. Üblicherweise versuchen Konzerne wie Trafigura solche Fälle aussergerichtlich zu regeln. Dass es dieses Mal anders ist, verschaffe der Öffentlichkeit einen aussergewöhnlichen Einblick, sagt Oliver Classen von der Schweizer Nichtregierungsorganisation Public Eye: «Wir haben jetzt eine 150-seitige Anklageschrift, die detailliert – für Trafigura viel zu detailliert – das Korruptionsschema des Konzerns in Angola darlegt.»
Ein Schlaglicht auf die Risiken: Der Prozess in Bellinzona lenkt die Aufmerksamkeit auf die strukturellen Risiken der Rohstoffbranche. Sie gilt als besonders anfällig für Korruption, Geldwäscherei, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden. Das hat mit den komplexen und weltumspannenden Lieferketten in der Branche zu tun: Viele Akteure in vielen Ländern mischen mit bei der Förderung von Öl, Kupfer oder Nickel. Zudem spielen sich die Geschäfte oft in Ländern mit schwachen oder korrupten Regierungen ab. Für Oliver Classen von Public Eye ein Grund mehr, sehr genau hinzuschauen: Die Unternehmen, aber auch die Sitzstaaten der Firmen wie die Schweiz, müssten strenge Regularien haben, um diese Risiken einzudämmen. «Der rechtliche Rahmen der Schweiz ist immer noch völlig ungenügend im Vergleich zu anderen Ländern», so Classen.