Worum geht es? Eine «Green Economy», also eine klimaneutrale Wirtschaft, braucht Rohstoffe. Ohne Lithium, Kupfer, Nickel, Kobalt oder Seltene Erden fährt kein Elektroauto und können keine Solarparks gebaut werden. Der weltweite Wettlauf um diese sogenannten «kritischen Mineralien» hat längst begonnen. Betroffen davon sind in besonderem Mass indigene Gemeinschaften: Eine Studie im Wissenschaftsmagazin Nature Sustainability hat herausgearbeitet, dass mehr als die Hälfte der Vorkommen von kritischen Mineralien dort zu finden sind, wo indigene Völker leben.
Wie stehen indigene Völker zur Energiewende? Weltweit gibt es mehrere tausend indigene Gemeinschaften. Ihre Haltung zum Thema ist unterschiedlich. Trotzdem versuchen sie derzeit, sich zu organisieren und eine gemeinsame Position zu finden. Einen entscheidenden Schritt vorwärts, kamen sie während eines Gipfeltreffens in Genf im Oktober: Dort versammelten sich knapp 100 Delegierte aus allen Weltregionen und sprachen über den sogenannten «Gerechten Übergang» - also das, was es braucht, damit die Energiewende möglichst gerecht passiert. Denn viele Vertreter von indigenen Völkern kritisieren scharf, wie Staaten und Unternehmen beim Abbau kritischer Rohstoffe vorgehen: Es sei eine neue Form des Kolonialismus, nur diesmal im Namen der Rettung des Planeten, sagte etwa eine Vertreterin der Inuit aus dem nördlichen Kanada.
Was sind die Forderungen? Die Vertreter indigener Völker fordern im Grunde das, was ihnen die UNO-Deklaration über die Rechte indigener Völker bereits 2007 zugestanden hat: Mitbestimmung, wenn es um die Nutzung der Gebiete geht, die sie bewohnen. Sie pochen auf ihr Recht der «freien, vorherigen und informierten Zustimmung». Das heisst, wenn eine Mine auf ihrem Land geplant wird, müssen Staat und Unternehmen die Zustimmung des betroffenen indigenen Volkes einholen – vor allem aber akzeptieren, wenn die Indigenen die Zustimmung nicht geben. Faktisch passiere das aber viel zu wenig, kritisieren indigene Aktivisten. «Die meisten grossen Bergbauunternehmen sind nicht bereit, wirklich zu verstehen, was es bedeutet, die Rechte indigener Völker zu respektieren», so Kate Finn vom US-amerikanischen Osage-Volk in Genf.
Was sagt die Rohstoffindustrie zu den Anschuldigungen? Sie streitet sie weitgehend ab. Tatsächlich bekennen sich mehrere Branchenverbände explizit zu den Rechten indigener Völker und geben auch an, das Prinzip der «freien, vorherigen und informierten Zustimmung» zu respektieren. Ein Beispiel ist etwa der International Council on Metals and Minerals, zu dem Giganten der Branche wie Rio Tinto oder auch Glencore aus der Schweiz gehören. Inwiefern sich die einzelnen Unternehmen wirklich an die Regeln halten, ist schwer zu überprüfen.
Was hat das mit der Schweiz zu tun? In der Schweiz sitzen sehr viele Rohstoffkonzerne, darunter wichtige globale Player wie Glencore oder Trafigura. Auch der Schweizer Branchenverband Suissenégoce sagt, dass sich seine Mitglieder alle an die UNO-Deklaration zu den Rechten indigener Völker halten würden. Fest steht: Die gesetzlichen Regeln für Rohstoffkonzerne im Bereich Nachhaltigkeit sind hierzulande vergleichsweise schwach. Derzeit unterstehen die Firmen lediglich einer Berichtspflicht. In der EU gibt es mittlerweile ein strikteres Lieferkettengesetz, das die Konzerne haftbar macht für Vergehen in ihrer Lieferkette.