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Indigenes Volk in Nordeuropa Norwegens Parlament entschuldigt sich bei den Sami

Mit der Entschuldigung wird ein ganzer Katalog an Rechten und Zugeständnissen an die Sami verabschiedet.

Darum geht es: Das norwegische Parlament hat sich beim indigenen Volk der Sami entschuldigt. Das Volk lebt ganz im Norden von Norwegen. Es ist dies ein historischer Entscheid: Erstmals entschuldigt sich das Parlament für die offizielle Politik Norwegens in der Vergangenheit. Zwischen Mitte des 19. Jahrhunderts und den 1980er-Jahren wurde eine Politik der Zwangsanpassung gegenüber den indigenen Völkern Norwegens verfolgt. «Das hatte für viele Indigene massive Folgen – dafür entschuldigt man sich jetzt», sagt SRF-Korrespondent Bruno Kaufmann.

Die Sami werden jetzt genau mitverfolgen, ob ihre Ansprüche, was Sprache, Kultur oder Rohstoffe betrifft, tatsächlich umgesetzt werden.
Autor: Bruno Kaufmann Nordeuropa-Korrespondent von Radio SRF

Stärkung der Rechte: Vor einigen Jahren wurde eine sogenannte Versöhnungskommission eingerichtet, die für ihren Bericht mehr als 700 Zeitzeuginnen und -zeugen befragte. Die jetzt erfolgte Entschuldigung des norwegischen Parlaments ist dabei ein erster Schritt, wie er in diesem Bericht angeregt wurde. 80 weitere Schritte werden vorgeschlagen – von einer Stärkung der Sprache und Institutionen bis zu einer besseren Gesundheitsversorgung. Dazu braucht es auch Gesetzesänderungen. Dem ganzen Paket hat das Parlament jetzt im Grundsatz zugestimmt.

Bruno Kaufmann

Nordeuropa-Korrespondent

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Bruno Kaufmann berichtet seit 1990 regelmässig für SRF über den Norden Europas, von Grönland bis Litauen. Zudem wirkt er als globaler Demokratie-Korrespondent beim internationalen Dienst der SRG mit.

Es gab Opposition: Gegen die Entschuldigung stimmte im Parlament einzig die rechte Fortschrittspartei. Sie begründete dies damit, dass man sich jetzt nicht für eine Politik entschuldigen könne, die früher gemacht worden sei. Ausserdem stört sich die wirtschaftsfreundliche Partei daran, dass Bodenschätze auf samischem Gebiet nur schwer oder gar nicht genutzt werden können oder dass die Sami dort Windparks bekämpfen. Letzteres taten die Indigenen erst kürzlich erfolgreich, als sie betreffend den Windpark «Fosen Vind» vor dem obersten norwegischen Gericht recht erhielten .

Der Windpark «Fosen Vind» läuft weiter

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Windpark auf schneebedecktem Hügel unter bewölktem Himmel.
Legende: Der Windpark «Fosen Vind». BKW

Das höchste norwegische Gericht stellte 2021 fest, dass Europas grösster Windpark an Land, «Fosen Vind», an dem auch die Berner BKW beteiligt ist, illegal erstellt worden ist – weil das Projekt mit 277 Windturbinen die Grundrechte der dort lebenden Sami verletzt habe.

Inzwischen haben sich die im betroffenen Gebiet ansässigen Sami mit den Betreibern geeinigt. Sie erhalten während der nächsten 25 Jahre jedes Jahr eine Entschädigung, ausserdem Ersatzweideland für ihre Rentiere. Und: Wenn die Betriebsbewilligung in 25 Jahren abläuft und allenfalls erneuert werden soll, wird den Sami ein Vetorecht gegen den Weiterbetrieb eingeräumt.

Das Urteil des höchsten norwegischen Gerichts hat ausserdem Folgen für weitere ähnliche Projekte: Sie werden tendenziell schwieriger zu realisieren sein, weil dafür mit allenfalls betroffenen indigenen Volksgruppen eine Verständigung nötig sein wird, um eine Betriebsbewilligung zu erhalten.

So reagieren die Sami: Die Sami haben den Parlamentsentscheid als historisch begrüsst. Vor dem Parlamentsgebäude wurde ein samisches Lavvu – ein grosses Zelt – aufgebaut. Dort sassen Politiker mit Vertretern der Sami zu Gesprächen zusammen. «Die Sami werden jetzt genau mitverfolgen, ob ihre Ansprüche, was Sprache, Kultur oder Rohstoffe betrifft, tatsächlich umgesetzt werden. Die neue norwegische Politik steht jetzt also auf dem Prüfstand», sagt Kaufmann. Sicher ist dabei: Norwegen ist mit dem Schritt vielen anderen Ländern voraus, etwa auch Schweden.

SRF 4 News aktuell, 13.11.2024, 10:50 Uhr ; 

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