Sie ist gratis und in unbeschränkter Menge verfügbar: Sonnenenergie. In der spanischen Region Murcia, südlich von Alicante, scheint die Sonne oft und stark. Ideale Voraussetzungen für eine Solaranlage. Diese Bedingungen nutzen auch die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ). Sie bauen derzeit in Spanien eine neue grosse Solaranlage: Über 140'000 Solarpanels produzieren künftig Strom für gut 20'000 Haushalte.
EKZ besitzen darüber hinaus mehrere Windparks in Deutschland, Frankreich, Italien und Portugal. Insgesamt haben diese Anlagen im Ausland eine Leistung von rund 320 Megawatt. Das entspricht fast der Leistung des AKW Mühlebergs, das am 20. Dezember abgeschaltet wird.
Vom Polarkreis bis ans Mittelmeer
Und die EKZ sind kein Einzelfall: Von Norwegen bis nach Sizilien, vom Atlantik bis ans Schwarze Meer sind inzwischen Hunderte Windparks und Solaranlagen im Besitz von Schweizer Energieversorgern. Wie Recherchen von Radio SRF zeigen, haben viele städtische, regionale und überregionale Energieunternehmen in den vergangenen Jahren im Ausland kräftig in erneuerbare Energiequellen investiert.
Im November 2019 hatte dieser ausländische Kraftwerkspark eine Leistung von mindestens 4200 Megawatt. Den mit Abstand grössten Teil steuern die Windparks (3300 MW) bei, gefolgt von den Solaranlagen (600 MW). Der Rest entfällt auf die Wasserkraft und Biomasse (300 MW). Zum Vergleich: Die vier verbleibenden Kernkraftwerke in der Schweiz haben eine Leistung von rund 3000 Megawatt. Damit wird gut ein Drittel der Stromversorgung in der Schweiz gedeckt.
Das Auslandsgeschäft im Wandel
Die Schweizer Energieversorger sind seit Jahrzehnten im Ausland tätig, namentlich die drei grossen Energieversorger Alpiq, Axpo und BKW. Über ihre Kernkraftwerk-Beteiligungsgesellschaft AG beziehen sie mit langfristigen Lieferverträgen Strom aus französischen Kernkraftwerken.
Im Zuge der Strommarktöffnung in der EU haben die drei Energieversorger weitere Anlagen im Ausland erworben: ab den 2000er-Jahren beispielsweise Gas-Kombikraftwerke in Italien oder Kohlekraftwerke in Deutschland und Tschechien.
Seit gut 15 Jahren erweitern die drei Unternehmen ihre Kraftwerkparks zusätzlich mit erneuerbaren Energiequellen. In diesem Zeitraum haben allerdings auch viele städtische und regionale Energieversorger den Sprung ins Ausland gewagt. Sie bauen vor Ort selber solche Kraftwerke, wie das Beispiel der Solaranlage von EKZ in Spanien zeigt. Kleinere Energieunternehmen wiederum haben sich zusammengeschlossen und übertragen die Aktivitäten im Ausland an Beteiligungsgesellschaften wie der Aventron AG.
Für all diese Investitionen in erneuerbare Energiequellen im Ausland ist reichlich Geld geflossen. Die SRF-Recherchen zeigen, dass die Schweizer Energieversorger für ihr Engagement im Ausland in den vergangenen Jahren schätzungsweise mindestens 7 Milliarden Franken aufgewendet haben.
Attraktives Ausland
«Die Schweiz ist ein kleines Land. Unsere Nachbarsländer haben sehr viel mehr Platz und sind auch viel grösser», sagt Antoine Millioud, Geschäftsführer von Aventron AG, mit Sitz in Münchenstein, Kanton Basel-Landschaft. Seine Firma ist mehrheitlich im Besitz von Primeo Energie, einem weiteren Schweizer Energieversorgungsunternehmen mit Sitz in Münchenstein, den Stadtwerken Winterthur und Energie und Wasser Bern. In deren Auftrag investiert die Firma in sechs europäischen Ländern in Windparks, Wasserkraftwerke und Solaranlagen. Insgesamt hat der Aventron’sche Kraftwerkspark inzwischen eine Leistung von gut 500 MegaWatt.
Aventron projektiert, baut und betreibt diese Anlagen oder kauft und verkauft sie. Das gilt auch für die Solaranlage in der Region Murcia: EKZ erwerben sie von Aventron.
Zwar besitzt Aventron auch Solaranlagen in der Schweiz, doch Antoine Millioud bedauert, dass nicht mehr möglich ist: «Es gibt in der Schweiz leider gar nicht so viele Projektopportunitäten». Kurz: Im Ausland ist es momentan für die Energieversorger sehr viel einfacher und wirtschaftlicher, neue Anlagen zu bauen. Alles Gründe weshalb es die Schweizer Energieunternehmen ins Ausland zieht.
Produktion im Ausland – Import in die Schweiz
Schweizer Energieversorger investieren im Ausland in erneuerbare Energiequellen, um einerseits damit Geld zu verdienen, andererseits aber auch, weil es so effizienter ist, die Energiewende voranzutreiben. Sie wollen ihre Kunden mit Strom versorgen, der nicht aus Kohle- oder Kernkraftwerken stammt. Für die Elektrizitätswerke der Stadt Zürich (EWZ) spielt es deshalb keine Rolle, wo ein Kraftwerk den Strom ins Netz einspeist. Wichtig sei, «dass europaweit jeweils so viel Strom produziert wird, wie auch im selben Moment Strom bezogen wird». EWZ besitzen Windparks in Deutschland, Frankreich, Norwegen und Schweden. Durch internationale Verträge wird die Stromeinspeisung und der -bezug geregelt.
Der wachsende Kraftwerkspark im Ausland ersetzt längst das AKW Mühleberg. Allerdings steigt damit auch der Stromimport aus dem Ausland. Eine Strategie, die mit Risiken verbunden ist. Vor allem dann, wenn der Strom in Teilen von Europa knapp werden sollte. Darauf weist unter anderem die Eidgenössische Elektrizitätskommission hin. Auch deshalb ist in der Energiestrategie 2050 vorgesehen, den Kraftwerkspark innerhalb der Landesgrenzen weiter auszubauen.
Schleppender Ausbau in der Schweiz
Gross ist das Potenzial bei Solaranlagen. Entsprechend rege werden kleinere Anlagen auf Ein- und Mehrfamilienhäusern gebaut. Mit Grossanlagen dagegen hapert es bereits. «Mit den aktuellen Rahmenbedingungen können diese Anlagen oft nicht wirtschaftlich betrieben werden», schreibt der Verband Swisssolar.
Bei der Windkraft geht der Ausbau noch schleppender voran. Aktuell liegen 47 Projekte für Windparks in der Schweiz auf dem Tisch. 14 Anlagen wurden von den betroffenen Gemeinden zwar gutgeheissen, werden aber durch Einsprachen und Beschwerden verzögert. «Für die restlichen 33 Projekte liegen noch keine Entscheide durch die Gemeinden vor», teilt der Verband Suisse Eole mit, der sich für die Windenergie in der Schweiz einsetzt.
Neue Speicherseen wiederum sind Generationen-Projekte. Entsprechend lange dauern die Projektierung und der Bau, ganz abgesehen von den Kosten. Doch gerade mehr Speicherseen sind auch deswegen notwendig, um die Produktionsschwankungen – verursacht durch die steigenden Anteile an Sonnen- und Windstrom – ausgleichen zu können.