Auf der Halbinsel Fosen in Mittelnorwegen ist vor drei Jahren die grösste Windkraftanlage an Land in Europa ans Netz gegangen. Ein Jahr später urteilte der Höchste Gerichtshof in Oslo jedoch, dass diese Anlage gegen die Menschenrechte gemäss der UNO-Charta zum Schutz indigener Völker verstosse.
Das Gericht unterliess es jedoch zu entscheiden, ob das Milliardenprojekt, an dem die schweizerische BKW indirekt mit 11 Prozent beteiligt ist, abgerissen werden muss oder nicht.
Die Anlage ist illegal. Deutlicher kann ein Gericht nicht werden.
Trotzdem lasse das historische Urteil in seiner Deutlichkeit keine Zweifel offen, erklärte der Jurist Hans Petter Graver kürzlich bei einem Vortrag in Oslo: «Die Rechte der samischen Bevölkerung wurden in diesem Fall verletzt. Deshalb ist die Anlage illegal. Deutlicher kann ein Gericht nicht werden», erklärte der Professor für Privatrecht an der Universität Oslo.
Als Konsequenz des Gerichtsurteils hat sich nun die norwegische Regierung bei den betroffenen Sami entschuldigt. Von einer Schliessung der Anlage «Fosen Vind» und einem Abriss, wie dies die Sami verlangen, will sie jedoch nichts wissen.
Sami verlieren die Geduld
In den Wandelhallen des norwegischen Parlamentes und auf den Strassen im Zentrum von Oslo sind in diesen Tagen ungewöhnliche viele samische Gesänge, sogenannte Joiks, zu hören: Hunderte von vornehmlich jungen Sami protestieren gegenwärtig lauthals gegen die Untätigkeit der norwegischen Regierung in einer Frage, die die Urbevölkerung des Landes seit Jahrzehnten umtreibt: nämlich dass die wichtigen samischen Rentierzuchtgebiete vom norwegischen Staat für die Energiegewinnung in Anspruch genommen werden.
Die Geduld der Geschädigten schwinde, erklärte die Sami-Sprecherin Ella Marie Hætta Isaksen in dieser Woche: «Die Verletzung unserer Menschenrechte geht jeden Tag weiter. Das muss ein Ende haben. Jetzt!», sagte die samische Vertreterin bei einer Protestaktion vor dem Parlament.
In den Augen des Rechtsexperten Graver spielen die norwegische Regierung und somit die Betreiberfirmen der Fosen-Anlage ein riskantes Spiel. Denn sollten die Sami vor Gericht eine Schliessung und den Abriss der Anlage fordern, ist der Ausgang sehr offen. «In einem Gerichtsprozess hätte der norwegische Staat wohl Mühe, den Weiterbetrieb der Anlage zu verteidigen» schätzt Graver.
Schwieriger Schlichtungsprozess
Nun müssen also die politisch Verantwortlichen und die Besitzer Hand bieten für eine Einigung, mit der die betroffenen Rentierzüchter leben können. Es zeichnet sich ab, dass wie vor 50 Jahren beim Konflikt um das Wasserkraftwerk in Nordnorwegen weitreichende politische Zugeständnisse an die samische Bevölkerung gemacht werden müssen.
Damals wurde unter anderem die Schaffung eines samischen Parlamentes und die Unterzeichnung der UNO-Konvention zu den Rechten der Indigenen beschlossen. Nun steht eine weitere Stärkung der Rechte der Sami in Norwegen auf der Tagesordnung.