Dass Patrik Gisel bei Raiffeisen den Hut nimmt, ist keine Überraschung. Der öffentliche Druck ist in den letzten Wochen schlicht zu gross geworden. In den Medien war bereits spekuliert worden, wer ihn dereinst als Vorsitzender der Geschäftsleitung beerben könnte. Auch in weiten Teilen der Raiffeisen-Genossenschaft und bei vielen Kunden waren die Meinungen gemacht: Gisel muss weg.
Ein sofortiger Rücktritt wäre ein zu grosses Risiko
Vor diesem Hintergrund mag es erstaunen, dass sich Patrik Gisel bis heute halten konnte, zumal Verwaltungsratspräsident Johannes Rüegg-Stürm bereits früher das Handtuch warf. Doch für die Bank ging es auch darum, in diesen turbulenten Zeiten für Kontinuität zu sorgen. Denn Gisel kennt Raiffeisen wie seine eigene Hosentasche. Er war fast zwei Jahrzehnte lang für das Institut tätig, zuletzt als Nummer zwei unter Pierin Vincenz und dann, seit Oktober 2015, als Chef.
Ein Rücktritt Knall auf Fall wäre schlicht ein zu grosses Risiko gewesen für Raiffeisen. Mit der Lösung eines Rücktritts per Ende Jahr erhält die Bank nun etwas mehr Zeit, um einen geeigneten Nachfolger zu finden. Dieser Zeitplan gewährleistet eine reibungslose Stabübergabe. Zudem kann Gisel so auch ein Stück weit sein Gesicht wahren. So betont der Verwaltungsrat unter der interimistischen Führung von Pascal Gantenbein, dass die laufenden, internen Nachforschungen zur Ära Vincenz bislang keine Fakten ans Licht gebracht hätten, die Gisel «aufsichtsrechtlich belasten» würden. Gleiches gelte für die im Juni abgeschlossene Untersuchung der Finanzmarktaufsicht Finma.
Wusste er wirklich nichts?
Diese Aussage ist allerdings schwer nachprüfbar, denn der Finma-Bericht ist nicht öffentlich zugänglich. Und dass Gisel vom fragwürdigen Geschäftsgebaren seines früheren Vorgesetzten nichts gewusst haben soll, fällt den meisten Aussenstehenden schwer zu glauben. Das mussten nun auch Gisel selbst und der Verwaltungsrat eingestehen.