Mit 15 Amtsjahren gehört Martin Scholl zu den dienstältesten Bankenchefs der Schweiz. Am nächsten Mittwoch, am 31. August, ist Schluss. «Es ist für mich ein unglaubliches Privileg, dass ich die Bank durch die Vordertür verlassen darf. Das ist nicht selbstverständlich, aber ein unglaublich gutes Gefühl.» Seinem Vorgänger blieb das verwehrt: 2007 stolperte Hans Vögeli über die sogenannte Sulzer-Affäre.
Die ZKB war die Hausbank von Sulzer, half aber gleichzeitig einer Investorengruppe rund um Viktor Vekselberg, beim Industriekonzern einzusteigen. Vögeli musste gehen, Scholl übernahm, und steuerte die ZKB skandalfrei durch die darauffolgenden 15 Jahre. Wie hat Scholl, der seine ganze Karriere bei der ZKB verbracht hat, das geschafft? «Etwas Glück braucht es immer. Aber Glück allein hilft eben auch nicht», sagt Scholl.
Kein Mangel an Krisen
Man müsse schon das Handwerk verstehen. «Und ohne absolute Topmitarbeiter geht es gar nicht. Dann braucht es noch den sicheren inneren Kompass und eine starke Hand für die Umsetzung.» An Krisen mangelte es in seiner Zeit als Chef nicht: Finanzkrise, Steuerstreit mit den USA, teilweise Abschaffung des Bankgeheimnisses, Frankenschock, Negativzinsen, Pandemie, Ukraine-Krieg: Wie war das für ihn?
«Schwierig schon, kritisch: nein», sagt er. Auf Nachfrage räumt er dann doch noch ein, was das Schwierigste war in all diesen Jahren – der Steuerstreit. «Zu Beginn war man ja nicht ganz sicher, ob er total willkürlich ist, oder ob es irgendwann eine vernünftige Lösung geben wird.» Die USA gingen ab 2011 breitflächig wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung gegen Schweizer Banken vor.
Das Ringen um eine Lösung mit der US-Justiz war für die verfolgten Banken schwierig: Es absorbierte Ressourcen und Nerven. Die USA liessen die ZKB dabei jahrelang zappeln. Erst 2018 kam es zu einer Einigung: Mit einer Busse von rund 100 Millionen Franken kam die grösste Kantonalbank der Schweiz einigermassen glimpflich davon.
Doch selbst in so schwierigen Momenten relativierte Scholl Probleme stets. Er beschwichtigte und gab sich betont entspannt. Das klingt beim Thema Steuerstreit heute zum Beispiel so: «Es war einfach eine Zeit der Ungewissheit, die etwas lange gedauert hat, aber am Schluss, wenn man jetzt zurückschaut, war es nicht so heftig.»
Glas bei Scholl halb voll
So tickt der abtretende CEO. Bei ihm ist das Glas immer mindestens halb voll, wie er im Gespräch mit SRF bestätigt. «Ich lebe in der Gegenwart und Zukunft und nicht in der Vergangenheit. Ich bin optimistisch.» Gab es auch Enttäuschungen, Dinge, die nicht wie gehofft geklappt haben? «Wenn ich zurückschaue und wirklich grössere Dinge suche, die nicht geglückt sind, finde ich einfach nichts.» Nichts? Und was ist mit der Seilbahn über den Zürichsee, die die ZKB zu ihrem 150-jährigen Jubiläum 2020 vorübergehend aufbauen lassen wollte?
Scholl hatte sich mit Enthusiasmus für dieses Projekt eingesetzt, scheiterte aber am Widerstand aus der Gesellschaft. Ein Wermutstropfen, aber sei’s drum. Auch das ist für ihn nur halb so wild. «Es wäre schön gewesen, es hat nicht stattgefunden, damit ist die Züribahn Geschichte.» Viel wichtiger für den abtretenden Chef ist, dass sein Nachfolger die Führung einer solide aufgestellten Zürcher Kantonalbank übernehmen kann. Und das ist Scholl geglückt.