SRF: Herr Vincenz, wieso treten Sie gerade zum jetzigen Zeitpunkt zurück?
Pierin Vincenz: Ich habe in den letzten Tagen realisiert, dass dies ein ziemlich langer Prozess ist, der noch lange dauern wird und an dem die Öffentlichkeit sehr stark interessiert ist, auch mit vielen Vorverurteilungen. Daher hab ich mich entschieden, von meiner Position als Verwaltungsratspräsident zurückzutreten, um die Marke Helvetia nicht weiter zu belasten.
Warum sind Sie vor über einem Monat zurückgetreten, als das Verfahren bekannt wurde?
Ich wurde am 1. November informiert und habe sofort freiwillig transparent gemacht, dass es eine Untersuchung gibt. Ich habe natürlich gehofft, dass dieses Verfahren deutlich schneller vor sich geht und darum wollte zu diesem Zeitpunkt nicht kurzfristig reagieren.
Das sieht jetzt auch ein wenig wie ein Schuldeingeständnis aus. Sind Sie denn sicher, dass während ihrer Zeit als Chef bei der Raiffeisen nichts falsch gelaufen ist?
Ja gut. Sicher wird man nie sein, wenn man 20 Jahre in einem Unternehmen tätig ist und die Regulatoren und Vorschriften immer schärfer werden. Aber ich kenne die konkreten Vorwürfe zurzeit nicht. Ich bin aber überzeugt, dass in der Raiffeisen alles so weit gut gelaufen ist. Dass in den 20 Jahren auch Fehler passiert sind, da stehe ich dazu. Darum bin ich auch überzeugt, dass da keine gravierenden Vorwürfe dahinterstecken.
Sie würden also alles nochmals gleich machen?
In 20 Jahren gibt es immer Entscheidungen, die man wieder gleich machen würde, andere würde man vielleicht etwas korrigieren. Es gibt natürlich ein Spannungsfeld zwischen unternehmerisch tätig sein und dann vielen auch neuen Regulatoren. Gewisse Sachen würde ich daher vielleicht besser absprechen oder Entscheidungen nicht ganz so schnell treffen. Aber über alles gesehen, muss ich mir eigentlich nichts zuschulden kommen lassen und bin überzeugt, dass wir eine unternehmerisch starke Marke aufgebaut haben. Im Grundsatz würde ich wieder alles in dieser Art und Weise machen.
Sie haben nach ihrem Rücktritt privat Anteile einer Firma gekauft, an der die Raiffeisen schon während ihrer Zeit beteiligt war. Verstehen Sie, dass dies komisch aussieht?
Ja, das kann ich natürlich verstehen. Andererseits war dieser Prozess immer sehr transparent. Raiffeisen hat sich in der KMU-Landschaft und bei der Nachfolgeregelung immer eingesetzt. Das war ein Gebiet, dass mir selber sehr passt. Da hab ich mir die Frage gestellt, ob ich mich selber mit meinen Beziehungen einbringen kann, und das wurde vom Verwaltungsrat auch so bejaht.
Sie sitzen ja momentan auch noch im Verwaltungsrat von Repower. Werden Sie dort auch zurücktreten?
Zurzeit analysiere ich mein Portfolio und werde mit den entsprechenden Leuten Rücksprache nehmen. Und dann werden wir entsprechend entscheiden, wenn wir die Ausgangslage besser kennen.
Das heisst eigentlich, wenn Repower möchte, dass Sie zurücktreten, würden Sie das tun.
Das steht im Moment nicht zur Diskussion. Ich fokussiere mich nun auf diese Aktivitäten, unter anderen auf Repower, die mich weiterhin unternehmerisch fordern werden und wo ich mich weiterhin engagieren will.
Warum ist die Situation bei Repower denn anders als bei Helvetia?
Helvetia ist selber im regulierten Bereich und daher exponierter als Repower, die als Organisation nicht der Finanzmarktaufsicht untersteht.