Ein Leben im Schloss ist Herzenssache. Es ist ein Leben für das Schloss. Niemand weiss das besser als die Familie von Tscharner. Seit sieben Generationen sind die von Tscharners im Besitz des Schlosses Reichenau im Graubünden.
Heute ist das Schloss ein Familienbetrieb: Vater, Sohn und die zwei Töchter packen mit an, um das Schloss zu behalten. Der Unterhalt verschlingt enorme Summen. «Wir ächzen manchmal unter der Last», sagt Familienvater Gian-Battista von Tscharner.
Restauration geht ins Geld
Aktuell zehrt die Familie noch von der letzten grossen Sanierung, die die Familie in den 1970er Jahren für 42 Millionen Franken getätigt hatte. Trotzdem fallen jährlich kleine Arbeiten an – etwa Verbesserungen am Dach für bis zu 15'000 Franken.
Schätzungen zufolge gibt es schweizweit rund 900 Burgen und Schlösser. Der Bund erachtet etwa 500 als national und regional bedeutend und würde sie im Fall einer Katastrophe oder Notlage schützen. Die Mehrheit dieser Schlösser liegen in den Kantonen Waadt, Thurgau und Bern.
Wie viele davon in Privatbesitz sind und wie viele der öffentlichen Hand gehören, ist unklar. Eines steht aber fest: Sie kosten. Viele der Schlösser gelten als Baudenkmäler. Es hängt stark vom Objekt ab, wie viel im Schnitt für Renovationen ausgegeben wird. Im Vergleich zu anderen denkmalgeschützten Bauten stechen sie mit ihrem Investitionsvolumen aber heraus – im Schnitt nämlich 188'000 Franken pro Jahr.
Schlösser-Ausverkauf beim Kanton Bern
Wie die Familie von Tscharner ächzt auch der Kanton Bern unter der finanziellen Last seiner Schlösser. Darum versucht er seit Jahren einige zu veräussern.
Der Kanton Bern wollte durch den Verkauf von acht Schlössern eigentlich 54 Millionen Franken einnehmen. Es flossen aber nur rund 15 Millionen in die Kassen. Der Kanton musste seine Preisvorstellungen heruntersetzen.
Einige Schlösser – etwa Schloss Burgdorf oder Schloss Laupen – widmete der Kanton gratis an Stiftungen, die die Bauobjekte unterhalten und verwalten. Es liessen sich keine Käufer finden.
Schlösser als geistiger Wert
«Der Schweizer Schlossmarkt ist dünn», sagt Immobilienexperte Donato Sconamiglio. Schlösser seien keine Renditeobjekte für private Investoren. Einige dieser Gebäude seien reine Geldschlucker. «Zum Beispiel Schloss Trachselwald: Wohnen geht da nicht, es gleicht zu sehr einer Burg.» Es gelte: Je «Schlössli»-mässiger das Objekt, umso einfacher ist es zu verkaufen.
Schlösser haben vor allem einen geistigen Wert.
Der Wert der Schlösser liesse sich nicht in Franken oder Rappen festhalten, sagt Jürg Schweizer, ehemaliger Denkmalpfleger des Kantons Bern: «Schlösser haben vor allem einen geistigen und einen Identifikationswert für die Bevölkerung.»
So sei das Schloss Chillon als Wahrzeichen des Kantons Waadt nicht mehr wegzudenken. Auch profitiere der Kultur- und Tourismuswirtschaft davon, dass solche Baudenkmäler das Erscheinungsbild zahlreicher Orte prägen.
Auch Schloss Reichenau prägt seit Jahren das Ortsbild von Tamins und die Familie von Tscharner hofft, dass es so bleibt. Sohn Johann-Baptista hat den Weinbaubetrieb des Vaters auf dem Schloss übernommen. Tochter Francesca organisiert hier Events und Marina leitet einen Verein, der Geld für Sanierungen verwaltet. Die generierten Einnahmen fliessen zurück ins Schloss. Das Ziel: Innerhalb der nächsten Jahre eine schwarze Null schreiben.