Die Festtage stehen vor der Tür, aber das Geschenk für die Liebsten fehlt noch. Denn von Januar bis heute hat man sich dafür keine Zeit genommen. Wer kennt das nicht? Und so bleibt nichts anderes übrig, als in die vollen Einkaufsläden zu pilgern – in der Sorge, dass Shopping in dieser Jahreszeit besonders teuer ist.
Die gute Nachricht vorweg: Wer erst im Dezember seine Geschenke einkauft, zahlt nicht zwingend einen Weihnachtsaufschlag. Dafür gebe es keine statistischen Anhaltspunkte, sagt Pascal Seiler, der an der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) Preisentwicklungen wissenschaftlich untersucht: «Wir beobachten beim Gros der Produkte während des ganzen Jahres gleichermassen Preiserhöhungen, Preissenkungen und Rabatte.»
Produkte mit häufigen Preissenkungen im Dezember
Aber einzelne Produkte fallen sehr wohl durch ihre Preisänderungen vor und nach Weihnachten auf – so etwa Kleider, die als beliebte Weihnachtsgeschenke gelten.
Kleider und Wintersportartikel: Rabattschlacht im Januar
Ein Blick auf die Preisdaten zeigt: Den Kaschmirpulli für Papa oder die Skijacke für die Tochter kauft man besser erst im Januar. Dann purzeln die Preise für Kleider, und zwar so häufig wie bei keinem anderen Produkt.
«Mäntel und Jacken für Damen» stellen dabei das Extrembeispiel dar: 43 Prozent der angebotenen Preise der Händler sind im Vergleich zum Vormonat reduziert. Bei den Händlern herrscht offensichtlich das Motto: Alles muss raus.
Hier kommen zwei Phänomene zusammen: Das Weihnachtsshopping ist vorbei und: «Kleider sind saisonale Produkte. Die Händler wollen nicht auf Altware sitzen bleiben und gewähren im Januar grosszügig Rabatte. Das wiederholt sich im Juli, wenn die Sommerkleider wegmüssen», sagt Ökonom Seiler.
Ein ähnliches Muster zeigt sich bei Wintersportartikeln wie Ski oder Snowboards. Hier sei die höchste Nachfrage dann, wenn der Schnee komme, sagt Thomas Morand, Chef von Bächli Bergsport. Also im November und Dezember.
Bächli lege aber Wert auf stabile Preise und verzichte deshalb auf die grosse Rabattschlacht im Januar. Aber im neuen Jahr wandern auch seine Produkte allmählich in den eigenen Outlet-Laden: «Die Kundschaft, die eine grössere Investition tätigen will, kommt ab Mai zu uns und kann dann günstiger Skiausrüstung erwirtschaften.»
Aufgepasst bei Spielkonsolen und TV-Geräten
Doch weit nicht alle Waren sind im neuen Jahr günstiger als im Dezember. Bei «Spielkonsolen und elektronischen Spielen» sinken die Preise im Dezember häufiger, als sie steigen. Im Januar halten sich Preiserhöhungen und -reduktionen dann die Waage. «Für die Gaming-Industrie und für uns ist die Weihnachtszeit extrem wichtig», sagt Thomas Triet, Leiter Einkauf bei Mediamarkt Schweiz. Gaming-Artikel gehörten zu den grossen Umsatztreibern. Die Produzenten würden Mediamarkt bewusst zu tieferen Preisen beliefern, um die Verkaufszahlen anzukurbeln.
Bei Fernsehgeräten sinken die Preise im Dezember ebenfalls häufiger, als sie steigen. Bei PCs halten sich die Veränderungen sowohl im Dezember als auch im Januar die Waage. Bei diesen Produkten lohnt es sich, genau hinzuschauen. «Bei neueren Modellen gibt man weniger Rabatt. Und bei Modellen, die am Ende ihres Lebenszyklus angelangt sind, sind die Rabatte umso attraktiver», sagt Triet.
Warum Händler ihre Preise anpassen
Die Preisstrategien der Schweizer Unternehmen bleiben oft ein gut gehütetes Geheimnis. Eine Umfrage der KOF im Jahr 2022 bei knapp 400 Händlern bringt zumindest etwas Licht ins Dunkel.
Demnach ändert das durchschnittliche Schweizer Detailhandelsunternehmen seine Preise vierteljährlich. Allerdings lässt sich die ganze Bandbreite beobachten: von täglichen Anpassungen («dynamic pricing») bis hin zu Anpassungen einmal pro Jahr. Dabei stellt sich die Preisgestaltung bei Online-Angeboten dynamischer dar als im stationären Handel. Grund sei die erhöhte Preistransparenz und Konkurrenzsituation.
Die Mehrheit der Händler erhöht oder senkt ihre Preise laut eigenen Angaben vor allem in Abhängigkeit der eigenen Kostenstruktur. Preisaufschläge der Lieferanten, höhere Personalkosten, höhere Material- und Energiekosten geben sie als wichtige Einflussfaktoren an. «Weniger wichtig» seien die Preise der Konkurrenz und die Nachfrage seitens der Kundschaft.
Inflation: der perfekte Grund für Preiserhöhungen
Die Sorge um die Kundenbeziehung prägt die Preissetzung massgeblich. Preiserhöhungen bergen immer die Gefahr, Kunden zu verärgern. Darum gehen Firmen in der Regel behutsam vor.
«Die Forschung zeigt, dass Konsumentinnen und Konsumenten Preiserhöhungen eher akzeptieren, wenn diese mit Faktoren zusammenhängen, die nicht direkt im Einflussgebiet von Unternehmen sind», hält Konjunkturforscher Seiler fest. Also Preiserhöhungen etwa in einem inflationären Umfeld.
Wenn Unternehmen aus einer grossen Kundennachfrage «übermässige Profite» schlagen wollten, goutiere dies die Kundschaft aber nicht. Das erklärt, weshalb viele Firmen im Shopping-Monat Dezember auf Mondpreise verzichten.