Mit vereinten Kräften ist es gelungen, das Containerschiff aus seiner misslichen Lage zu befreien: Im Einsatz waren starke Schlepperschiffe, ein Schwimmbagger und Bergungsspezialisten. Die gesamte Rettungsaktion werden die Betreiber des Schiffes zahlen, so viel ist klar.
Die grosse Frage sei jetzt allerdings, wer für die Verspätung der Schiffe aufkommt, die seit einer Woche blockiert sind, sagt Lars Jensen. Er ist Gründer und Geschäftsführer von SeaIntelligence, einem Beratungsbüro in Kopenhagen, das auf Containerschiffe spezialisiert ist: «Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Betreiber der verspäteten Schiffe nun eine Rechnung an die Eigentümer des verunglückten Frachters schicken werden.»
Allerdings würde es Jensen überraschen, wenn sie auch nur einen Dollar sähen – er vergleicht die Situation mit einem Stau auf der Autobahn nach einem Unfall: «Wenn Sie wegen eines Staus eine halbe Stunde zu spät zur Arbeit kommen, können Sie dem Unfallverursacher auch keine Rechnung schicken und die verlorene Arbeitszeit geltend machen. Gleich verhält es sich hier.»
Mit anderen Worten: Die Betreiber – und allenfalls ihre Versicherungen – werden die Kosten tragen müssen. Insgesamt dürfte die Blockade direkte und indirekte Schäden in der Höhe von bis zu zehn Milliarden Dollar verursacht haben, so verschiedene Schätzungen.
Die meisten Kosten entstehen aufgrund der Verspätungen. Inzwischen warten rund 450 Schiffe auf eine Durchfahrt. Allerdings müssen sie sich noch gedulden; pro Tag können im Normalfall nur 50 bis 80 Schiffe den Suezkanal passieren.
Worst Case abgewendet – vorerst
Maersk, die grösste Reederei der Welt, hat ihre Kunden deshalb bereits vorgewarnt: Es könnte mehrere Wochen, wenn nicht Monate dauern, bis die Waren ankommen.
Die schiere Grösse dieser Schiffe wird zunehmend zu einem Problem.
Letztlich scheint der aktuelle Fall aber vergleichsweise glimpflich auszugehen. Allerdings zeige die aktuelle Rettungsaktion die Schwierigkeiten, wenn solch gigantische Schiffe in Not geraten, sagte Kapitän Rahul Khanna jüngst gegenüber der Informationsplattform Llyod's List.
Khanna ist Chef der Risikoabteilung für Schiffsfahrt bei der Allianz Versicherung. «Die schiere Grösse dieser Schiffe wird zunehmend zu einem Problem», so Khanna.
Gigantische Ausmasse
In der Tat haben die Containerschiffe jüngst gigantische Ausmasse angenommen: Um die Jahrtausendwende transportierten die grössten Frachter knapp 7000 Container. Jetzt, zwanzig Jahre später, können sie 24'000 Container laden. Mehr als dreimal so viel.
Die «Ever Given» mit ihren 20'000 Containern gehört somit zu den allergrössten Schiffen. Khanna wirft deshalb die Frage auf, was passieren werde, wenn ein solcher Gigant noch grössere Schwierigkeiten haben sollte – etwa wegen schlechtem Wetter oder menschlichem Versagen.
Im schlechtesten Fall rechnet die Allianz Versicherung mit Schadenskosten von bis zu vier Milliarden Dollar – pro Schiff. Für Bergung, Ersatz von verlorenen Gütern, für die Beseitigung von allfälligen Umweltschäden – die Schäden wären also wie die Schiffe selber: gigantisch gross.