Die Firma Schmolz+Bickenbach wird 100. Statt grosser Party ist beim Stahlhersteller aber eher grosser Kater angesagt. Wenn nicht sehr bald 325 Millionen Franken eingeschossen würden, müsse der Konzern Konkurs anmelden, meldete das Unternehmen. Seither fliegen die Fetzen zwischen den Besitzern und den Grossaktionären.
SRF News: Man hat das Gefühl, es werde Stahl verbaut wie verrückt. Warum läufts beim grössten Stahlbauer der Schweiz nicht rund?
Charlotte Jacquemart: Es gibt hausgemachte und externe Gründe. Schmolz+Bickenbach hat in Europa einige Stahlfirmen aufgekauft. Das war teuer und führte zu hohen Schulden. Dann kam der Einbruch in der Autoindustrie; die Autobauer sind die wichtigsten Abnehmer des Stahls von Schmolz+Bickenbach. Dazu kamen die Strafzölle auf Stahl aus USA und EU. Beide wollen ihre eigenen Stahlproduktionen schützen, denn es gibt heute einfach zu viel Stahl auf der Welt – was auch noch auf die Preise drückt.
Ohne ein paar hundert Millionen wäre bei Schmolz+Bickenbach also bald Lichterlöschen?
Ob das so schnell geht, ist von aussen schwer zu beurteilen. Sicher ist: Der überschuldete Stahlproduzent braucht dringend neues Geld. Die Banken haben dem Konzern deshalb das Messer an die Brust gesetzt und fordern, dass bis Ende Januar 2020 neues Geld da ist. Um diese Kapitalerhöhung zu bewilligen, ist am kommenden Montag eine ausserordentliche Generalversammlung geplant.
Die Banken haben dem Konzern das Messer an die Brust gesetzt und fordern, dass bis Ende Januar 2020 neues Geld da ist.
Nun findet ein Kampf zwischen Eignern und Grossaktionären der Firma statt. Der Grossaktionär, AMAG-Gründer Martin Haefner, wäre unter Bedingungen bereit, die benötigten 325 Millionen einzuschiessen. Warum applaudiert da keiner?
Haefner will den Minderheitsaktionären kein Pflichtangebot unterbreiten, auch wenn er wegen der Millionen die Schwelle von 33.3 Prozent erreichen würde. Das müsste er aber nach Gesetz, weil er damit die Kontrolle von Schmolz+Bickenbach übernähme. Haefner hat von der Übernahmekommission verlangt, dass sie eine Ausnahme macht. Das hat sie aber Anfang Woche abgelehnt.
Das ist für die 10'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohl keine gute Situation.
Nein. 800 davon arbeiten in der Schweiz. Der Fall ist auch deshalb bizarr, weil es neben dem Amag-Gründer noch einen zweiten grossen Grossaktionär gibt: Die Beteiligungsgesellschaft Liwet. Dahinter steckt der Russe Viktor Vekselberg. Ihm gehören 27 Prozent von Schmolz+Bickenbach, und er will nicht, dass Haefner die Kontrolle über den Konzern übernimmt. Es heisst, er habe eigene Pläne, die er am kommenden Montag vorstellen will. Da streiten sich also zwei Milliardäre um einen Konzern, der am Abgrund steht. Das hilft nicht weiter.
Das Gespräch führte Simon Leu.